Deutschland – Das Erdbebenjahr 2015 lässt sich von zwei Seiten betrachten. Zum einen hatte Deutschland eine insgesamt durchschnittliche Aktivität. Auf der anderen Seite kam es vielfach zu Erdbeben an Orten, wo bis dato noch keine oder nur sehr selten Erdbeben auftraten. Auch eine Reihe von Groß- und Landeshauptstädten war betroffen. Wir blicken zurück, was Deutschland im Jahr 2015 bewegt hat und auf die Gründe, warum dieses Jahr so anders war als das Vorjahr.

rot: Gebiete mit spürbaren Erdbeben im Jahr 2015 (Beben außerhalb Deutschlands sind nicht berücksichtigt)
rot: Gebiete mit spürbaren Erdbeben im Jahr 2015 (Beben außerhalb Deutschlands sind nicht berücksichtigt)

Das Jahr in Zahlen

Insgesamt 201 tektonische Erdbeben über Magnitude 1 verzeichneten die deutschen Erdbebendienste. Sie registrierten zudem 18 weitere sogenannte induzierte Beben über Magnitude 2, die unter anderem durch Erdgasförderung, Bergbau und Geothermie ausgelöst wurden. Hinzu kommen 28 induzierte Erdbeben zwischen Stärke 1 und 2 außerhalb der klassischen Steinkohleabbaugebiete in Ibbenbüren und im Ruhrgebiet. Dies ist ein leichter Rückgang im Vergleich zum letzten Jahr, wo 239 tektonische und 52 induzierte Beben (25 Beben < M2) verzeichnet wurden.
51 registrierte Erdbeben (28 tektonisch und 23 induziert) waren nachweislich so stark, dass sie von Anwohnern wahrgenommen werden konnten. Hinzu kommen einzelne spürbare Erdbeben im Raum Mühltal, deren Größenordnung nicht ermittelt wurde. Auch dies ist ein deutlicher Rückgang zum Vorjahr, wo 74 mal die Bilder an der Wand wackelten.
Die Größe der Erdbeben war ebenfalls deutlich geringer. Nur drei Erdbeben über Magnitude 3 wurden registriert. Neun waren es im Vorjahr. Erdbebenschäden haben sich auf ein Minimum beschränkt. Ernste Versicherungsfälle waren nicht darunter. Nur 14 Gebäude erlitten oberflächliche Schäden.

Die stärksten Erdbeben des Jahres
(nähere Informationen zu den einzelnen Beben im folgenden Text)

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Erdbebenland Baden-Württemberg

Albstadt, 28.01.2015
Ich wurde kurz nach 1 von einem lauten Geräusch wach und merkte wie das Bett wackelte. Ich hörte Bücher auf dem Regal umfallen und nach einigen Sekunden war es vorbei. Nicht mein erstes Erdbeben hier aber es war eindrucksvoll. Keine Schäden.

Wie es der Durchschnitt aus jahrhundertealter Aufzeichnungen zeigt: Baden-Württemberg ist das Bundesland mit den meisten Erdbeben. Insgesamt 92 (davon zwei induzierte) über Magnitude 1 wurden insgesamt verzeichnet, dies entspricht einem Anteil von 46% aller tektonischen Erdbeben in Deutschland. Sieben von ihnen waren stark genug, um von der Bevölkerung wahrgenommen zu werden. Darunter auch zwei der stärksten Erdbeben mit Magnitude 3.3 und 3.0 in Albstadt, bzw. Titisee-Neustadt. In Albstadt wurde dabei ein Gebäude leicht beschädigt.
Insgesamt ist der Zollernalbkreis mit Albstadt die Region mit den meisten Erdbeben. 24 mal registrierte der Erdbebendienst der Universität Freiburg (LGF) hier Erdbeben ab Stärke 1, vier mal ab Magnitude 2, die jeweils spürbar waren. Neun dieser Erdbeben gehen auf einen kleinen Schwarm Mitte Mai zurück. Ebenfalls als Schwarm traten im Januar Erdbeben in Titisee-Neustadt auf, die sich im Februar als Vorläufer entpuppten. Das „große“ Erdbeben der Magnitude 3 ließ in weiten Teilen von Süd-Baden-Württemberg Gebäude zittern. Grund: Der Herd des Erdbebens (und der Vorläufer) lag in etwa 20 Kilometern. Die Intensität wurde dadurch abgeschwächt, sodass es nicht zu Schäden kam und die kleineren gar nicht erst spürbar waren. Ein weiteres Erdbeben im Landkreis Breisgau-Hochschwarzwald am 15. September bei Bad Krozingen erreichte Magnitude 2.0 und wurde von einzelnen Personen wahrgenommen. 21 mal bebte es insgesamt im Landkreis Breisau-Hochschwarzwald. Platz 3 deutschlandweit.
Ebenfalls bemerkenswert: Zwölf Beben im Landkreis Lörrach, davon zwei in Weil am Rhein als Folge von Geothermie-Bohrungen. Bis auf ein Beben im März (M2.6) blieben diese jedoch unbemerkt.Nicht unbemerkt blieb ein Überschallknall am 26. August südlich von Stuttgart, den viele Anwohner zunächst als Erdbeben einordneten.

Die wichtigsten Erdbeben in Baden-Württemberg

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Nordrhein-Westfalen und das Ende des Bergbaus

Bergheim, 22.12.2015
Hier in der Heerstraße war erst ein lautes brummendes dröhnendes Geräusch zu hören und der Boden hat gewackelt, gefühlt wie auf einem Boot, schwer zu schätzen aber so ca. 10 Sek. lang. Es ist nichts aus den Schränken gefallen oder kaputt gegangen. Der Tannenbaum hat gewackelt und einige kleine Gegenstände haben sich verschoben. Zwei Bilderrahmen sind umgekippt und am Ende hat es ganz schön im Kamin gerasselt.

Bereits im vergangenen Jahr zeichnete sich das bevölkerungsreichste Bundesland durch Abwesenheit tektonischer Erdbeben aus. Auch in diesem Jahr gingen die meisten Beben von den Zechen Auguste Viktoria in Haltern und Marl und Prosper-Haniel in Bottrop und Oberhausen aus. Hinzu kommen zwei Erdbeben in Bergkamen. Insgesamt 14 mal waren die ausgelösten Beben dort so stark, dass die Magnitude 2 erreicht oder überschritten haben. Vor allem im Ortsteil Haltern-Lippramsdorf bebte es phasenweise fast täglich (bergbauinduzierte Erdbeben sind ab Magnitude 1.2 spürbar). Beim stärksten Erdbeben im April wurden 10 Gebäude beschädigt. Im Dezember wurde an Auguste Viktoria die letzte Kohle gefördert. Mit dem Ende des Bergbaus könnten in den kommenden Jahren auch die Erdbeben ein Ende finden.
Das von der Intensität her stärkste Erdbeben des Jahres wurde kurz vor Weihnachten in Bergheim westlich von Köln aufgezeichnet. Auch dieses ist eine Folge des Bergbaus. Das einzig spürbare Erdbeben westlich des Rheins warf Objekte aus Regalen und ließ ein Haus leicht beschädigt zurück. Stärke 2.4 ergaben die Aufzeichnungen.
Noch schwächer, aber mit einem noch größeren Schreck verbunden, erwischte es die Landeshauptstadt Düsseldorf im Januar. Zwei Erdbeben am frühen Morgen, Stärke 1.6 und 1.9 im Osten der Stadt. Eine Region, die die seismisch aktive Niederrheinische Bucht vom Rheinischen Schiefergebirge trennt und bisher als seismisch inaktiv galt. Beide Erdbeben waren tektonischen Ursprungs, oberflächennah und in umliegenden Stadtteilen, sowie in Teilen von Ratingen und Langenfeld deutlich spürbar. Sie hinterließen keine Schäden, aber den Hinweis, dass auch andere vermeintlich erdbebenfreie Ecken des Landes irgendwann eine kleine Überraschung erleben könnten.

Mit 18 tektonischen Erdbeben über Magnitude 1 war NRW nur geringfügig aktiver als im Vorjahr (16 Beben). Die Hälfte dieser Beben gehörten zu einem kleinen, nicht spürbaren Erdbebenschwarm, der im gesamten ersten Halbjahr in Niederzier (Düren) aktiv war. Der gesamte Landkreis Düren kommt auf elf nicht spürbare Erdbeben.
Von einzelnen Personen wahrgenommen wurde am Heiligabend ein Erdbeben der Stärke 2 in Euskirchen.

Die wichtigsten Erdbeben in NRW

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