In unserer modernen Gesellschaft ist es keine Seltenheit mehr. Viele Länder der Welt sind davon betroffen. Immer wieder machen diese Ereignisse Schlagzeilen, da sie Eigentum und Leben bedrohen. Auch Deutschland ist eines der Länder, in der menschengemachte Erdbeben einen signifikanten Anteil der seismischen Aktivität ausmachen. Wie jeder von uns zur Entstehung von Erdbeben beiträgt und in welchen Nationen dies zum Problem wird!

Auf der anderen Seite des Atlantiks ist es die leidige Fracking-Diskussion, die das Thema „menschengemachte Erdbeben“ weltweit immer wieder in die Schlagzeilen bringt. Wenn ein praktisch erdbebenfreier Bundesstaat binnen weniger Jahre zu einem der seismisch aktivsten Gebieten der Welt wird und alle nur noch auf den „großen Knall“ warten, ist die Aufmerksamkeit verständlich. Millionen Menschen in Oklahoma und Kansas müssen ständig neues Geschirr kaufen und im schlimmsten Fall um ihre Existenz fürchten, da viele Versicherungen die Schäden am Eigenheim nicht bezahlen.

Oklahoma und Kansas, wo beim Fracking anfallende „Abwässer“ ins Erdreich gepumpt werden, sodass sich das Spannungsfeld verändert und Störungen ihre Spannungen in Form von Erdbeben entladen, ist weltweit zur Zeit das bekannteste Beispiel, sogenannter „induzierter Erdbeben“. Menschengemachte Seismizität, die praktisch nichts mit den natürlichen Erdbeben zu tun hat.
Auch die direkte Förderung von Erdgas kann zu Erdbeben führen, da sich durch die Volumenänderung im Untergrund auch das Spannungsfeld verändert. Beispiele für kleinere Erdbeben in Mitteleuropa sind zum Beispiel die niederländische Region Groningen und die Erdgasfelder in Niedersachsen.
Doch muss es nicht nur die Förderung von Erdöl und Erdgas sein, die die Erdbebenquote erhöht.

Vor circa 40 Jahren waren induzierte Erdbeben vor allem in Asien ein großes Problem. Viele Länder, speziell Indien und China, begannen vermehrt ihren Energiebedarf mit Wasserkraft zu decken. Dazu und zur Trinkwasserversorgung wurden in vielen Landesteilen große Stauseen angelegt. Doch stellten diese eine große Gefahr dar. Durch die Auflast des Wassers und die zusätzliche Veränderung des Grundwasserpegels kam es zu Spannungsentladungen an Störungen, die sich rund um den See befinden. Dies führte in Indien zu zwei der größten Erdbebenkatastrophen in der Geschichte des Landes. 1967 tötete ein Beben der Stärke 6.5 am Koyna-Damm in Maharashtra 180 Menschen. 1993 war es ein Erdbeben der Stärke 6.3, das ebenfalls in Maharashtra am Makni-Damm 11.000 Menschenleben forderte. Am Koyna-Damm hielt die Erdbebenaktivität bis ins 21. Jahrhundert an. Die Erdbeben am Makni-Damm konnten bis heute nicht eindeutig dem Stausee zugeschrieben werden, auch wenn viele diese Theorie unterstützen. Maharashtra gehört von Natur aus eher zu den weniger erdbebengefährdeten Regionen Indiens.

Koyna-Damm in Maharashtra (Wikipedia)

Eine Diskussion um den Ursprung gab es auch nach dem verheerenden Erdbeben in der chinesischen Provinz Sichuan (M7.9, 90.000 Tote) im Jahr 2008. Bis heute glauben viele, die vielen Staudämme in der Nähe der Störung haben das Erdbeben zumindest begünstigt.

Auch beim Aufstauen des Assuan-Stausees in Ägypten, beim Lake Mead in den USA und beim Drei-Schluchten-Stausee in China wurden kleinere Erdbeben ausgelöst.

In Europa, Südafrika und Australien ist es eine andere Form der induzierten Erdbeben, die immer wieder auftreten und teils Schäden verursachen. Dabei ist die Ursache das, was in vielen Ländern erst zum wirtschaftlichen Aufstieg geführt hat: Der Bergbau. Sprengungen, Bohrungen und Felsstürze Untertage führen dazu, dass sich ins umliegende Gestein Spannungen aufbauen. Vor allem beim Kohle- und Erzabbau ist dies der Fall. Die dabei entstehenden Erdbeben sind, je nach Intensität des Bergbaus, deutlich spürbar und können im Extremfall schwere Schäden und Todesopfer nach sich ziehen. Im August 2015 zerstörte ein Erdbeben der Stärke 5.5 dutzende Gebäude in Südafrika. Ein Mensch starb, 42 weitere wurden verletzt.
Noch eine Nummer größer: Die Tennant-Creek Erdbeben im Norden von Australien im Jahr 1988. Die drei Beben der Stärke 6.3, 6.4 und 6.7 verursachten zwar nur geringe Schäden, da die Region sehr dünn besiedelt ist, aber gehören sie zu den stärksten Beben in der Geschichte des Staates. Tennant-Creek wurde als Bergbaustadt gegründet und hat eine lange Goldbergbau-Geschichte.

Erdbeben in der Umgebung von Tennant Creek
Erdbeben in der Umgebung von Tennant Creek (Daten: USGS-Archiv)

In Deutschland sind bergbauinduzierte Erdbeben die Hauptursache von seismischen Erschütterungen. Normalerweise gibt es deutlich mehr induzierte als natürliche Erdbeben, wobei der Trend in den nächsten Jahren in die entgegengesetzte Richtung geht, da der Bergbau in vielen Regionen des Landes immer mehr ein Ende findet. Vor allem im Ruhrgebiet, wo heute nur noch vereinzelt Beben über Stärke 2 registriert werden. Die Beben waren im Saarland der Todesstoß für die Steinkohleförderung, nachdem ein Beben der Stärke 4.4 im Jahr 2008 teils schwere Schäden verursachte. Heute gibt es praktisch keine Erdbeben mehr im Saarland. Die stärksten dieser Erdbeben in Deutschland ereigneten sich an den Kali-Bergwerken in Mitteldeutschland. Durch den Einsturz eines Stollens wurde im Jahr 1989 der Gebirgsschlag Völkershausen verursacht, mit Magnitude 5.6 eines der größten Erdbeben in Mitteleuropa in historischer Zeit.
Heute noch gibt es besonders viele Erdbeben an den Zechen in Polen. Häufig sind diese stärker als Magnitude 4 und verursachen Schäden.

Geothermie gilt neben Wasserkraft als eine der Energiequellen für die Zukunft. Mit Island bezieht bereits ein Land den Großteil seines Stromes aus der Erde. In den meisten Fällen verlaufen Geothermie-Bohrungen und -arbeiten unproblematisch. In seltenen Fällen können diese aber zu Erdbeben führen. Hier haben auch die allermeisten Erdbeben, die durch den Fracking-Prozess induzierten Erdbeben, ihren Ursprung.
Als größtes Beispiel für ein durch Geothermie induziertes Erdbeben gilt das Cerro Prieta Erdbeben im Jahr 1979. Es erreichte Magnitude 6.6 und folgte auf die Injektion von Flüssigkeiten. In den folgenden Jahren kam es zu teils größeren Erdbeben. Die Region um Cerro Prieta ist eine der tektonisch aktivsten Regionen Nordamerikas. Im Jahr 2010 kam es hier, an der Grenze zum US Bundesstaat Kalifornien, zu einem Erdbeben der Stärke 7.2, das nicht mit der Geothermie-Anlage zusammenhängt.
Auch in Mitteleuropa kam es zu kleineren Erdbeben an Geothermie-Kraftwerken. Beispiele sind die bis heute andauernden Erdbeben in Landau, sowie Beben in Basel und St. Gallen in den letzten Jahren, in deren Folge die Geothermie-Projekte verworfen wurden.
Ein großer, bis heute andauernder Erdbebenschwarm mit täglich dutzenden Ereignissen findet nahe des kalifornischen Ortes The Geysers statt, Folge eines Geothermie-Projektes ist. Hier kam es jedoch noch nie zu Erdbeben über Magnitude 5. Selbst Magnitude 3 ist selten.

Geothermiebohrung bei „The Geysers“ aus dem Jahr 1977 (Wikipedia)

Neben den bekannten Arten, Erdbeben zu induzieren, kommt es immer wieder zu Einzelfällen an manchen Industrieanlagen. Im Jahr 2013 erschütterte ein Erdbebenschwarm die Nordostküste von Spanien. Ursache ist ein neu angelegter, untermeerischer CO2-Speicher im Mittelmeer gewesen. Das Projekt wurde verworfen.
Ebenfalls in Spanien war es das Lorca-Erdbeben im Jahr 2011, das 9 Todesopfer forderte. Es erreichte Magnitude 5.1 und resultierte offenbar aus dem künstlichen Absenken des Grundwasserspiegels in der landwirtschaftlich sehr genutzten, semiariden Region.
Das größte bestätigte, von Menschen gemachte Erdbeben erschütterte 1976 Usbekistan. Es erreichte Magnitude 7.1 und wurde durch den Einsturz eines leergepumpten unterirdischen Ölreservoirs verursacht. Acht Jahre später kam es dort zu einem weiteren, ähnlich starken Erdbeben.

Durch Ausbeutung der Rohstoffe, Veränderung der Landschaft und einen steigenden Energie- und Wasserbedarf greift der Mensch immer mehr und immer signifikanter in die Umwelt ein. Auch in Zukunft muss daher in vielen Regionen der Welt mit Erdbeben gerechnet werden, die die Menschen selbst verschulden. Nicht nur tektonische Prozesse verursachen Erdbeben. Wie in Lorca gibt es viele Regionen der Erde, wo der Grundwasserspiegel verändert wird. Auch in Saudi-Arabien führt das Fördern von Wasser an manchen Orten zu Erdbeben. Weitere könnten mit dem Fortschritt des Klimawandels folgen. Auch das Schmelzen der Gletscher kann zu Erdbeben führen. Wenn die Last der Gletscher in Grönland und anderen Polarregionen abnimmt, wird sich der Boden heben und Erdbeben können auftreten. Aus Skandinavien gibt es Hinweise über Beben bis Stärke 7 nach der letzten Eiszeit. Kleinere treten noch heute im Ostseeraum auf.
Der steigende Rohstoffbedarf führt zu immer mehr Bergbau, dem schließlich Erdbeben folgen. Stauseen, um Trinkwasser zu sichern, können auch in Zukunft zur Gefahr werden. Fast jeder Mensch war in seinem leben bereits indirekt an einem Erdbeben beteiligt – ohne es zu wissen. Ein klarer Trend, der eine Zunahme starker Erdbeben zeigt, gibt es nicht. Dafür sind induzierte Erdbeben in den meisten Fällen zu schwach.
Die Erde lebt, der Mensch auch.