Sachsen und Thüringen: Zwischen Vogtland und Bergbau

„Wurden gegen 2.02 Uhr aus dem Schlaf gerissen. Gespürtes kurzes Absacken und Rüddeln, verbunden mit lauten Grollgeräuschen. Schon beängstigend gewesen aber keine sichtbaren Schäden entstanden. Haben dies schon mehrfach erlebt. Fast jährlich.“

Kirchberg-Wolfersgrün, am 3. September 2016

Im Vergleich zum Vorjahr konnte sich die Erdbebenzahl in Sachsen verdoppeln. 16 Mal bebte es im Freistaat. Das mit Abstand stärkste Beben des Jahres in Ostdeutschland traf den äußersten Westen von Sachsen. Nahe der Stadt Werdau im Landkreis Zwickau lag das Epizentrum am 3. September. Magnitude 2.9 wurde erreicht. Von diesem Erdbeben war, wie bei Beben in Ostdeutschland üblich, ein für die Magnitude verhältnismäßig großes Gebiet betroffen. Zeugen aus bis zu 50 Kilometern Entfernung haben uns dieses Erdbeben gemeldet. Teils wurde es noch entlang der Elbe verspürt. Auch der Osten von Thüringen und der Süden von Sachsen-Anhalt – dort war es das einzige spürbare Erdbeben des Jahres – waren betroffen. Schäden hat es nicht gegeben, durch die Tiefe von rund 15 Kilometern wurde maximal Intensität III bis IV erreicht.
Wenige Tage zuvor, am 14. August, hat es das erste Mal bei Falkenstein im Westen von Sachsen gebebt. Ursprung der Erschütterungen war in diesem Fall das Vogtland. Das Beben der Stärke 2.4 war ein einzelnes Ereignis und nicht mit einem Schwarm assoziiert. Somit blieb es das einzig spürbare Vogtland-Erdbeben in diesem Jahr. Allerdings gab es das ganze Jahr über, wie im Vogtland normal ist, Mikrobeben.
Im äußersten Osten von Sachsen, zwischen Elbe und polnischer Grenze, wurde gegen Ende des Jahres vereinzelt ein Erdbeben aus den Bergbaugebieten in Niederschlesien verspürt. Während das Ereignis mit Magnitude 4.6 in Polen zu einem tödlichen Grubenunglück führte, hatte es in Sachsen keine Auswirkungen. Die Intensität war sehr gering (II) und nur wenige Menschen nahmen dieses Erdbeben bewusst wahr.

Thüringen kam auf insgesamt 12 Erdbeben, wovon sieben direkt auf den Bergbau zurückzuführen sind. Somit liegt auch hier die Zahl der Beben doppelt so hoch wie im Vorjahr. Das stärkste Erdbeben erreichte am 15. Februar Magnitude 2.1. Das Epizentrum lag in Schmölln. Ursprung ist in diesem Fall nicht der Bergbau, sondern eine tektonische Störungszone in 15 bis 20 km Tiefe. Spürbar war das Erdbeben nicht.
Anders bei zwei bergbauinduzierten Erdbeben. Das erste am 28. August bei Buhla-Eichsfeld. Trotz Magnitude 1.5 verspürten es Einwohner von vier Gemeinden im Umkreis von rund 2 Kilometern. Ursprung des Bebens ist das stillgelegte Kalibergwerk Sollstedt.
Etwas stärker mit Magnitude 1.9 war am 7. November das Beben in Menteroda. Auch hier ist es durch ein stillgelegtes Kalibergwerk induziert worden. Die Erschütterungen waren in einem größeren Radius von rund 5 Kilometern spürbar. An einem Haus in Menteroda sollen sich Risse gebildet haben.

Ein weiteres signifikanteres Ereignis war ein Erdbebenschwarm mit rund 50 einzelnen Erdbeben Mitte April bei Wünschendorf. Die höchste registrierte Magnitude war 1.8. Verspürt wurde dieses Erdbeben nicht.

Spürbare Erdbeben in Sachsen und Thüringen 2016; Rote Flächen: Schüttergebiete spürbarer Erdbeben; Rot transparent: Schüttergebiete spürbarer Erdbeben im Ausland, die bis Deutschland reichten

Rheinland-Pfalz: 5-Jahres-Rekord an der Loreley

„Um ca. 6:30 stand ich in der Küche, als es einen sehr lauten Knall gab, so als stürze ein großer Fels oder eine Mauer zusammen. Zudem hatte ich kurz das Gefühl, das Haus wackele. In den Schränken klirrte das Geschirr. Ich dachte tatsächlich, irgendetwas im Haus sei zusammengebrochen und ging sogar auf den Speicher, um nachzusehen, ob irgendetwas am Dach zusammengebrochen sei. Es gibt aber keinerlei Schäden bei uns. Insgesamt war das schon beängstigend.“

St. Goar, am 17. Dezember 2016

Das Land, das sich seit Jahren über eine niedrige Erdbebenaktivität freut, schien auch in diesem Jahr nicht besonders auffällig zu werden. Bis Mitte des Dezembers registrierte das Landesamt für Geologie und Bergbau (Erdbebendienst Südwest) nur 42 Beben und damit deutlich weniger als im Vorjahr (53), wovon sieben auf die Geothermie-Kraftwerke Landau und Insheim entfallen. So auch das bis dahin mit Abstand stärkste und einzig spürbare Beben (M1.9) am 17. Juli. Die sonstige Aktivität umfasste die üblichen Gebiete entlang von Oberrhein, Mittelrhein und Hunsrück. Hier ist keine Besonderheit zu nennen.
Dann bebte die Loreley. Nur Kilometer vom berühmtem Felsen am Mittelrhein entfernt, Epizentrum bei Lierscheid im Rhein-Lahn-Kreis, kam es zum landesweit stärksten Erdbeben seit Frühjahr 2011. Mit Magnitude 2.9 geht es auch deutschlandweit als zweitstärkstes tektonisches Erdbeben des Jahres (nach dem Hilzingen-Hauptbeben) in die Statistik ein. Es umfasste ein für die Magnitude relativ großes Gebiet in einem Radius von 20 Kilometern ums Epizentrum. Dies beinhaltet das gesamte Rheintal zwischen Neuwieder Becken und Hessische Grenze, sowie Teile von Hunsrück und auch des hessischen Taunus. Um St. Goarshausen und dem linksrheinischen St. Goar war die Intensität am höchsten (IV), bis auf ein zerbrochenes Dachfenster gab es aber keine Schäden. Ebenso blieben die Nachbeben aus.

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Hessen: Darmstadt – Der Erdbebenfilm, Teil 39

18:11 Uhr Heftiges Grollen für ca. 7 Sekunden. Es fühlte sich an als würde sich von Nord-Westen nach Süd-Osten die Ede anheben…
Die heftigste Erd-Erschütterung, die ich bislang erlebt habe.

Darmstadt, am 14. Oktober 2016

Mit Erdbebenserien ist man im Raum Darmstadt inzwischen vertraut. So kam der kurze Erdbebenschwarm Mitte Oktober im Norden der Stadt zwar überraschend, hinterließ aber keinen bleibenden Eindruck. Insgesamt 9 Beben über Magnitude 1 registrierte das Hessische Landesamt für Naturschutz, Umwelt und Geologie am 14. Oktober und in den Folgetagen. Zunächst begann es mit einem Erdbeben der Stärke 2.2, das nur von wenigen verspürt wurde. Wenige Stunden später folgte das Hauptbeben des Schwarmes, das 2.9 erreichte und gemeinsam mit den Erdbeben an der Loreley und in Sachsen Platz zwei der stärksten tektonischen Erdbeben des Jahres einnimmt.
Die Erschütterungen des Bebens erreichten maximal Intensität III bis IV und umfassten das gesamte Stadtgebiet von Darmstadt, sowie die Orte rund um Mühltal, wo das Zentrum des großen Erdbebenschwarmes der vergangenen beiden Jahre lag.
Kurz vor dem Darmstadt-Schwarm kam es an eben dieser Stelle zu einem neuen Erdbeben. Allerdings deutet die größere Tiefe auf ein anderes Störungssystem hin. Trotz Magnitude 1.7 wurde es dennoch von Einzelpersonen akustisch wahrgenommen.
Das zweite Erdbebenzentrum Hessens liegt im Rheingau-Taunus-Kreis, wo es das ganze Jahr über nahe Idstein zu kleinen Erdbeben in größerer Tiefe kam. Das stärkste wird mit Magnitude 2.0 angegeben. Spürbar war keines der Beben. Neben der damit assoziierten neun Beben in Hessen, gab es auch einzelne im angrenzenden Rheinland-Pfalz. Übrige Erdbeben in Hessen waren schwächer als Magnitude 1.7, nicht spürbar und entfielen auf die Regionen in der Hessischen Senke oder am Oberrhein. Im Gegensatz zum Vorjahr wurde kein Erdbeben im Ballungszentrum Rhein-Main lokalisiert.

Spürbare Erdbeben in Rheinland-Pfalz und Hessen 2016; Rote Flächen: Schüttergebiete spürbarer Erdbeben

Andere Bundesländer blieben nahezu ohne registrierte Erdbeben. Bei Saarbrücken im Saarland kam es am 17. Juli zu einem einzelnen Beben der Stärke 1.6, eine Spätfolge des Bergbaus. Ebenso stark: Ein Erdbeben der Stärke 1.6 in Kabelsketal, Sachsen-Anhalt am 9. September, wo im Vorjahr mit M3.5 das stärkste Beben des Jahres aufgetreten ist. Damit war die Aktivität in beiden Bundesländern geringer als im Vorjahr. Ohne registrierte Erdbeben blieben wie im Vorjahr Hamburg, Schleswig-Holstein, Brandenburg, Bremen und Berlin, zu einem Einzelereignis wie in Schwerin letztes Jahr kam es in Mecklenburg-Vorpommern dieses Jahr nicht.

Landkreise mit den meisten tektonischen Erdbeben ab Magnitude 1.0
Konstanz (BW): 50 Erdbeben
Zollernalbkreis (BW): 15 Erdbeben
Mayen-Koblenz (RLP): 12 Erdbeben
Düren (NRW): 11 Erdbeben
Darmstadt-Dieburg (HE): 9 Erdbeben
Tübingen (BW): 9 Erdbeben

Zahl der Erdbeben nach Bundesländern (ohne Beben im Ausland und den Steinkohlerevieren) / Veränderung zum Vorjahr

Baden-Württemberg: 120 Erdbeben / +28
Bayern: 16 Erdbeben / +2
Berlin: 0 Erdbeben / 0
Brandenburg: 0 Erdbeben / 0
Bremen: 0 Erdbeben / 0
Hamburg: 0 Erdbeben / 0
Hessen: 26 Erdbeben / +1
Mecklenburg-Vorpommern: 0 Erdbeben / -1
Niedersachsen: 9 Erdbeben / +3
Nordrhein-Westfalen: 25 Erdbeben / +6
Rheinland-Pfalz: 42 Erdbeben / -11
Saarland: 0 Erdbeben / 0
Sachsen: 15 Erdbeben / +7
Sachsen-Anhalt: 1 Erdbeben / -1
Schleswig-Holstein: 0 Erdbeben / 0
Thüringen: 12 Erdbeben / +6

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Obwohl die Zahl der Erdbeben in diesem Jahr recht hoch ist, deutet dies nicht auf eine Zunahme der Erdbebenaktivität im Allgemeinen hin. Zahl und Intensität schwankt jährlich, in Deutschland so wie in allen anderen Regionen der Erde. Durch den Erdbebenschwarm in Hilzingen und relativ viele Erdbeben im Ruhrgebiet wurde die Zahl am meisten angehoben. Durch viele große Erdbeben innerhalb weniger Wochen in verschiedenen Teilen der Welt, darunter Italien, Neuseeland und Japan, waren die Deutschen auf Erdbeben sensibilisiert, was mehr Rückmeldungen aus der Bevölkerung zur Folge hatte. So konnten wir von einigen Erdbeben die Intensität besser bestimmen, da uns mehr Zeugenmeldungen erreichten.

In den deutschen Nachbarländern zeigen sich unterschiedliche Trends. In Österreich war das Jahr ebenfalls aktiver als 2015. Die Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik stellt dies in einem ausführlichen Jahresrückblick dar. In der Schweiz wurden deutlich weniger Erdbeben verzeichnet. Dafür aber mit Magnitude 4.2 das stärkste seit mehreren Jahren. Die Niederlande erleben durch die Regulierung der Erdgasfördermenge ebenfalls eine rückläufige Aktivität induzierter Beben. Tektonische Erdbeben wurden kaum verzeichnet. Nach dem Beben der Stärke 2.9 in Belgien vergangenes Jahr kam es zu keinem Erdbeben über Stärke 2 mehr. Die stärksten Ereignisse gehen auf Bergbau oder Sprengungen zurück. So auch in Luxemburg, wo ein Beben Magnitude 2.2 erreichte. In Polen und Tschechien (außerhalb des Vogtlandes) ging die spürbare Seismizität ausschließlich auf Bergbau zurück. Besonders signifikant waren dabei mehrere starke Erdbeben in Niederschlesien, wie sie aber fast jedes Jahr mehrfach auftreten.

Erdbebenliste 2016

*: Unsichere Daten
(Magnitude): Induzierte Erdbeben

.

Erdbebendienste in Deutschland und Nachbarländern:

BGR: „Bundesamt für Gowissenschaften und Rohstoffe
BNS: „Erdbebenstation Bensberg
BSM: „Bürgerinfo Seismisches Messsystem
EBY: „Erdbebendienst Bayern
EMSC: „European Mediterranean Seismological Center
GDN: „Geologischer Dienst NRW
GFZ: „Geoforschungszentrum Potsdam
GFU: „Geophysikalisches Institut Tschechien
GOC: „Geophysikalisches Observatorium Collm
HLUG: „Erdbebendienst Hessen“ Übersicht
KNMI: „Königliches Niederländisches Meteorologisches Institut“
KOB: „Königliches Observatorium Belgien
LGB: „Landesamt für Geologie und Bergbau Rheinland-Pfalz
LGF: „Landesamt für Geologie, Bergbau und Rohstoffe Regierungspräsidium Freiburg
RUB: „Seismologisches Observatorium Ruhr-Universität Bochum
SED: „Schweizerischer Erdbebendienst
TSN: „Thüringer Seismologisches Netz
ZAMG: „Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik

 

Alle Daten: Stand 30. Dezember 2016, 13:30 Uhr