USA – Im Durchschnitt alle 160 Jahre kommt es an der Hayward-Störung östlich von San Francisco zu einem großen Erdbeben, zuletzt 1868. Ein neues Beben könnte zu verheerenden Schäden im Raum San Francisco führen. Messungen wenige Stunden vor einem kleineren Erdbeben am Donnerstag geben Anlass zur Hoffnung, dass rechtzeitige Warnungen möglich sein könnten.

Mit Magnitude 4.4 war das Erdbeben am 4. Januar, dessen Epizentrum zwischen Oakland und Berkeley gelegen hat, das stärkste an der Hayward-Störung seit 1981. Es hat zahlreiche Menschen im Großraum San Francisco aufgeschreckt, aber nur sehr geringe Schäden verursacht. Dennoch war es eine Erinnerung an die Bedrohung, die von der Hayward-Störung ausgeht und ohne Einschränkungen mit der berühmteren San Andreas Störung zu vergleichen ist.

Die Hayward-Störung ist weniger wegen Megabeben bekannt (mehr als Magnitude 7 ist hier nicht zu erwarten, was keineswegs das Zerstörungspotential schmälert), sondern vor allem wegen ihrer verschobenen Bordsteinkanten. Während der Großsteil der Störungsfläche in der Tiefe starr ist und somit Spannung für große Erdbeben aufbauen kann, bewegen sich die Gesteinsblöcke in Oberflächennähe gegeneinader. Dieses „creep“ („Kriechen“), also kontinuierliche langsame Bewegungen ohne größere Erdbeben auszulösen führt unter anderem dazu, dass Straßen und Mauern, die in der dicht besiedelten Region direkt auf der Störungszone erbaut wurden, langsam gegeneinander verschoben werden. Erst 2016 wurde der berühmteste verschobene Bordstein repariert, auch wenn diese Maßnahme nicht von Dauer sein wird.

Um dieses „Kriechen“ zu messen (und damit Rückschluss auf die gesamten Bewegungsraten der Störung und die einhergehende seismische Gefährdung zu ziehen), sind entlang der Hayward-Störung mehrere „Creepmeter“ installiert, die den gesamten Versatz im Laufe der Zeit mit einer Genauigkeit von hundertstel Millimeter aufzeichnen. Eines dieser Creepmeter hat am Mittwoch, knapp fünf Stunden vor dem M4.4 Erdbeben, eine Bewegung registriert:


Abb. 1

Zu sehen ist deutlich ein „plötzlicher“ Versatz von knapp einem zehntel Millimeter fünfeinhalb Stunden vor dem Erdbeben an einer Station im Zoo von Oakland (COZ). Auch eine andere Messtation registrierte diese Bewegung.
Könnte dies einen Erdbeben-Vorläufer darstellen, der es in Zukunft ermöglicht, große Erdbeben an der Hayward-Störung vorherzusagen?

Zunächst muss man zur Beantwortung dieser Frage das Verhalten der Hayward-Störung verstehen. Im Laufe der letzten Jahrzehnte hat es, wie in Kalifornien üblich, zahlreiche Studien (Beispiel) gegeben, die das Verhalten von Störungen, in dem Fall der Hayward-Störung, besser aufschlüsseln.
Inzwischen weiß man, dass sich die Kriechbewegung unregelmäßig über die gesamte Störungsfläche verteilen. Es gibt, besonders im zentralen Abschnitt in fünf bis 15 Kilometern Tiefe, Segmente, wo seit dem letzten Beben 1868 kaum Kriechbewegung stattgefunden hat. Das sind diese Bereiche, wo ein neues schweres Erdbeben erwartet wird. An anderen Abschnitten, speziell im Norden, Süden und nahe an der Oberfläche, gibt es Kriechraten von mehreren Millimetern pro Jahr.

In keinem dieser Abschnitte sind die Kriechraten konstant. So gibt es immer mal wieder Phasen beschleunigter Kriechbewegung, so zum Beispiel während der Slow Slip Ereignisse in den Jahren 1996 und 2007. Ersteres folgte auf eine siebenjährige Phase verringerter Kriechbewegung aufgrund des Loma Prieta Erdbebens 1989 an der San Andreas Störung und brachte eine Kriechrate von mehreren Zentimetern binnen weniger Monate.
Zweiteres, und nun knüpfen wir an die aktuelle Situation an, endete mit einem Erdbeben der Stärke 4.2, damals südlich von Oakland, allerdings auch mit Mikrobebenaktivität im Bereich des Epizentrums vom 4. Januar. Nicht der erste Fall, in dem ein Slow Slip Ereignis zu seismischen Ereignissen geführt hat.

Abb. 2 Kriechbewegung der Hayward-Störung, gemessen an einzelnen Stationen über die letzten 100 Tage. Quelle: USGS

Daher ist es auch durchaus möglich, sogar wahrscheinlich, dass das Erdbeben am 4. Januar mit der vorherigen plötzlichen Kriechbewegung zusammenhängt. In welcher Form dieser Zusammenhang genau besteht, müsste durch weitere Studien und Abgleich mit anderen Messwerten festgestellt werden.
Man muss allerdings bedenken: Eine Bewegung von 0,1 Millimetern ist sehr gering. Für Menschen sowieso nicht spürbar und selbst die Auflösung von Instrumenten ist nicht viel geringer, wie man an Abb. 1 sehen kann. Daher ist es zweifelhaft, bzw. nahezu ausgeschlossen, dass solche Ereignisse so selten auftreten wie die Erdbeben, mit denen sie möglicherweise in Verbindung stehen. Betrachtet man die Werte anderer Stationen in den letzten 100 Tagen (Abb. 2), so sieht man besonders an der Station CFW zwei solcher Kriechereignisse, das letzte am 30. Dezember, die stärker waren, als beim Ereignis an der Station COZ.

Eine weitere Untersuchung dieser Gegebenheit ist aber definitiv sinnvoll. Sie ermöglicht eine Erweiterung der Kenntnisse über die Eigenschaften der Störung, was langfristig eine bessere Einschätzung der Situationen ermöglicht. Selbst wenn es zunächst nicht möglich sein wird, Kriechbewegung zweifelsfrei als Warnsignal zu interpretieren.