Wenn man denkt, nach dem Magnitude 7 Erdbeben vor der japanischen Ostküste im vergangenen Jahr wäre der Gipfel der Panikmache, die in deutschen Medien und Pseudomedien nach jedem größeren Beben seit der Fukushima-Katastrophe 2011 betrieben wird, erreicht gewesen, wurde man in den letzten 24 Stunden eines besseren belehrt.

Rekorderdbeben

Das stärkste Erdbeben seit 2011 traf das japanische Archipel. Zugleich war dieses das tiefste jemals registrierte Starkbeben. Laut USGS hatte es Magnitude 7.8 und das Hypozentrum lag in fast 700 km Tiefe, laut JMA hatte das Erdbeben Magnitude 8.1 in 682 km Tiefe (nach Korrektur von 8.5).
700 km Tiefe gilt im Allgemeinen etwa als die Grenze, bis der Erdbeben möglich sind. Unterhalb dieser Grenze sind die physikalischen Eigenschaften des Gesteins aufgrund der hohen Temperaturen und Drücke so verändert, dass ein klassischer Bruch nicht mehr möglich ist, sondern sich die Masse duktil verformt, ähnlich warmen Kerzenwachs. Solche tiefen Beben sind ausschließlich an Subduktionszonen möglich. An anderen Orten wird das Gestein (meist am Übergang zum Erdmantel) duktil verformbar. Nur dort, wo die kalte ozeanische Kruste in den Erdmantel eintaucht, kann es noch zu spröden Deformationen und somit zu Erdbeben kommen.

Die stärksten, jemals in über 600 km registrierten Erdbeben erreichten Magnitude 8.3. sie ereigneten sich im Jahr 1994 in Bolivien, sowie vor fast genau 2 Jahren im Ochotskischen Meer (vor der russischen Ostküste).

Also ein Erdbeben, das berechtigt in die Geschichtsbücher der Seismologie eingeht. Aber aktuell ist dieses Beben aus ganz anderen Gründen in den Schlagzeilen.

Fukushima wird uns alle töten

Auch wenn das havarierte japanische Atomkraftwerk weit weg vom Epizentrum lag, sogar die Intensität des Bebens dort nicht außergewöhnlich hoch war (eher gering), tauchte dieser Name in fast jedem Medienbericht auf. Nicht, weil es etwa interessant war, dass es das stärkste Erdbeben seit eben jener Katastrophe war, sondern um die Menschen, die Leser daran zu erinnern, was sie mit Erdbeben in Japan assoziieren sollen.

Panikmache vom Feinsten.

Dass das Erdbeben eigentlich ungefährlich war, nur geringe Schäden verursachte, keinen Tsunami auslöste und die wenigen Verletzungen eher auf Pech und Selbstverschulden der Betroffenen zurückzuführen sind, (Sturz, getroffen von herabstürzenden Ornamenten, Zusammenstoß mit Möbeln/Wänden, Verbrühen weil heißes Wasser verschüttet wurde, etc) kam erst später raus.

Eine Seite, die es auch nachträglich noch schafft, Panikmache auf Weltklasseniveau zu betreiben, sind die Netzfrauen. Diese haben sich bereits beim „durch geheimes Fracking ausgelösten“ Erdbeben in Halle bei uns wahnsinnig unbeliebt gemacht, und legen nun einen drauf.

Bereits in der Überschrift des besagten Artikels wird nur Fukushima angesprochen. Die Distanz zwischen Epizentrum und AKW (ca 1000 km) und dass das Beben ungefährlich war, wird nicht erwähnt. Stattdessen wird eine Lüge erfunden, das gestrige Erdbeben wäre anfangs sogar mit M9.1 angegeben worden. Natürlich um direkt danach den Vergleich zu ziehen, dass das Tohoku-Beben nur M9.0 hatte. Um die „Fukushima-wird-uns-alle-töten“ Nachricht auszudehnen, wird alles mit ein paar Ereignissen aus Fukushima garniert, die bereits vor einigen Tagen unabhängig vom aktuellen Beben stattgefunden haben. Bereits bei früheren Erdbeben nahe Fukushima haben die Netzfrauen immer wieder betont, jedes Erdbeben könne in Fukushima zur neuen Katastrophe führen und es sei die größte Gefahr für die Menschheit. Eine Meinung, die sie nun auch nach dem gefühlt 500.sten größeren Erdbeben in Japan beibehalten und verbreiten. Klar, das nächste Erdbeben kommt bestimmt und davon möchten die Netzfrauen profitieren. Dass das nächste Erdbeben bald kommt, wird durch ein Dutchsinse-Video hervorgehoben, das am 29. hochgeladen wurde. Dutchsinse, uns wohl bekannt durch die unseriöse Meldung, dass das Erdbeben in Halle durch Fracking ausgelöst wurde (Zufall?), erwähnt in diesem wie in jedem anderen Video, dass die Erdbebenaktivität ungewöhnlich hoch sei (stimmt nicht) und viele „schlafende“ Vulkane hohe Aktivität (in Form von einzelnen Mikrobeben) zeigen und deshalb bald ausbrechen werden. Aktivitäten, wie sie jeden Tag registriert werden. Zudem wird in jedem seiner Videos eine Erdbebenvorhersage für die halbe Welt vor schweren, ungewöhnlich starken Erdbeben herausgegeben. Der Punkt, auf den die Netzfrauen hinaus wollen?

Fazit: Dass die Situation in Fukushima auch nach 4 Jahren nicht sicher ist, dürfte jedem bewusst sein. Jedes neue Erdbeben, jeden Taifun dazu zu nutzen, die Situation künstlich schlimm zu reden, ist absolut unseriös. Dazu noch zu behaupten, das nächste schwere Erdbeben (was aus der ersten Botschaft gleichbedeutend mit „neue Nuklearkatastrophe“ ist) wird bald kommen, ist nichts anderes als das Erzeugen von Angst und grenzt an Volksverhetzung. In China werden Menschen, die sowas behaupten, zu langen Haftstrafen verurteilt.

Das nächste katastrophale Erdbeben droht bald!

Womit wir bei NTV sind..
(Um fair zu sein: Nicht nur NTV geht diesen Weg, auch kurier.at, NDTV und andere ausländische Medien haben ähnliche Texte)
Während die Netzfrauen es noch schaffen, ihre Angstbotschaften indirekt zu formulieren, geht NTV den direkten Weg und verdreht die Aussage eines japanischen Seismologen komplett. Aussage: Japan ist in einer hochaktiven Phase. Ein gigantisches Erdbeben steht unmittelbar bevor.
Nein!
Der zitierte Experte Toshiyasu Nagao tätigte folgende Aussage

“I can say Japan is in an active stage now. Considering the geographic location of Japan, we can say the current activities are rather normal and it was too quiet. We should be vigilant by knowing that it is no wonder that an earthquake sizable enough to affect our society can occur anytime in the future.”

Es ist weder eine Warnung, dass was großes unmittelbar bevorsteht, noch dass sich Japan in einer hochaktiven Phase befindet. An dieser Stelle haben die Medien ihrer Kreativität freien Lauf gelassen. Der Experte sagte lediglich, dass aktuell relativ viele Erdbeben verzeichnet werden („hohe Aktivität“), dies aber was ganz normales ist, da es auch Phasen gab, wo es viel zu niedrige Aktivität gab.
Natürliche Schwankungen in der Erdbebenaktivität sind kein Anzeichen für eine Katastrophe sondern nur der Beweis, dass die Natur nicht berechenbar ist. Der zitierte Vulkanausbruch vor einigen Tagen hängt dabei nicht direkt mit dem Erdbeben zusammen.
Die „Warnung“ war lediglich der Hinweis darauf, dass es in Japan jederzeit zu einem katastrophalen Erdbeben kommen kann. Dies ist unabhängig von der Aktivität, die in den Tagen vor den Erdbeben auftritt. Vor dem Tohoku-Beben 2011 habe es deutlich geringere Aktivität gegeben als durchschnittlich. Vor dem gestrigen Beben war es aktiver…

Verschwörungstheorien

Wenn es noch unseriöser werden soll, ist immer auf unsere Freunde die Verschwörungstheoretiker verlass. Aussagen, die uns alle Schocken sollen und dem Blogbetreiber, der sich dies ausgedacht hat eine Menge Besucher bescheren sollen, sind vielfältig und werden dank Facebook und co (und jede Menge leichtgläubiger dummer Menschen) in Windeseile verbreitet.
Die Standardaussage, eine militärische Einrichtung der USA, genannt Haarp hätte dieses Erdbeben ausgelöst, findet sich fast immer. Beweise dafür: Die beiden folgenden M5 Erdbeben in Kalifornien, die zensiert wurden. Zudem folgte ein Nachbeben in 10 km Tiefe, was schon seit Jahren der unantastbare Beweis ist. (Ironie off)
Vom Fakt, Beben mit elektromagnetischen Wellen auszulösen ist unmöglich, mal abgesehen: Die „zensierten“ Erdbeben waren nichts anderes als Falschmeldungen, wie sie häufig nach schweren Erdbeben auftauchen. (Der Russische Erdbebendienst legte mit einem M6.4 in Oklahoma nach Japan noch einen drauf) Angebliche 10 km sind in den meisten Fällen nicht die korrekte Angabe, sondern stellen nur unbekannte / gerundete Werte dar. Der wissenschaftliche Weg: „Ich weiß es im Moment nicht genau“ zu sagen.
So unglaublich es klingt, ist Fracking in den letzten Monaten zur Verschwörungstheorie Nummer 1 geworden. Auch ein Erdbeben in 700 km Tiefe, 800 km vor der Küste kann durch Bohrungen ausgelöst werden, jaja.
Und natürlich ist es überhaupt kein Zufall, dass ein Spinner wenige Tage zuvor für Kalifornien vor einem M9.8 Beben gewarnt hat.

Kreativität ist was feines. Aber wissenschaftliche Fakten zu berücksichtigen, ist natürlich verboten! #Lügenpresse #Lügenforscher

Seriöse Quellen sind im Internet heutzutage nur noch eine Minderheit. Dabei ist Seriosität garnicht schwer. (Nur leider nicht mehr lukrativ)

Wann ist ein Japan-Erdbeben gefährlich?

Wenn eine Eilmeldung heraus geht, ein Magnitude 8,5 Erdbeben habe Japan erschüttert, ist es normal, nun Tote, Verletzte und Zerstörung zu erwarten. Alle wissen das. Was viele nicht wissen ist, dass nicht die Magnitude eines Erdbebens die Zerstörung, die Opfer bringt. Der aktuelle Fall zeigt dies eindeutig. Wir haben ein Erdbeben über Magnitude 8 (nach Korrektur 8,1), aber keine Opfer, keine Zerstörung. Was schnell klar war: Das Epizentrum lag weit weg von den dicht besiedelten Küstenregionen Japans. 800 Kilometer sind es bis Tokyo. Eine Distanz, bei der die Auswirkungen eines Erdbebens meist nicht mehr verheerend sind. (Ausnahmen bestätigen die Regel) Ein zweiter Faktor ist die Tiefe: Je weiter von der Oberfläche entfernt der Erdbebenherd, bzw die Bruchfläche ist, umso geringer ist die Intensität und damit das Zerstörungspotential.
Ab einer bestimmten Tiefe spielt die Distanz zum Epizentrum jedoch keine große Rolle mehr.
Im aktuellen Fall wurde im Großraum Tokyo (auch bedingt durch den extrem weichen Boden) Intensität 5+ auf der JMA Skala gemessen. Das ist vergleichbar mit einem Magnitude 7 Erdbeben einige dutzend Kilometer vor der Küste von Honshu. Nur aufgrund der erdbebensicheren Bauweise blieb es bei oberflächlichen Schäden. In China, Iran und anderen Ländern hätte es zur Katastrophe geführt.
Tiefe Erdbeben sind extrem weit spürbar, das aktuelle bis Indien, und auch wenn die maximale Intensität sich nicht in den höchsten Etagen bewegt, ist diese in einem sehr großen Bereich zu verzeichnen. Ein Glücksfall, dass dieser „große Bereich“ fast ausschließlich im Meer lag, wo Menschen nicht betroffen sind.

Wenn in Japan ein Erdbeben auftritt, geschieht dies meistens an Subduktionszonen. Dabei liegen die Epizentren fast immer vor der Küste, oder in einer Tiefe von 50+ Kilometern. Für japanische erdbebenresistente Bauwerke zerstörerische Intensitäten (6- oder mehr) werden bei Magnitude 7 Erdbeben fast nie erreicht, Schäden halten sich somit in Grenzen. Anders ist dies bei Erdbeben an Störungszonen, die flach und an Land auftreten. So wie beim Kobe-Beben 1995, das trotz Magnitude 6.9 eine Großstadt verwüstete und tausende tötete. Erdbeben dieser Art können auch bei geringeren Magnituden (~M6) gefährlich werden. Für kleine Orte, im weniger erdbebenerprobten Hinterland von Japan mit schlechterer Bauweise können auch Beben um Magnitude 5.5 (Intensität 5- oder 5+) schlimme Folgen haben. Zum Glück treten diese deutlich seltener auf. Dies ist vergleichbar mit Erdbeben in Deutschland.

Fazit: Nicht jedes schwere Erdbeben in Japan stellt eine Bedrohung für Mensch und Eigentum dar. Die Magnitude ist in vielen Fällen nicht ausschlaggebend. Seit der Fukushima-Katastrophe versuchen Pseudomedien und auch einige richtige Medien, mit übertriebenen Berichten zu Erdbeben in Japan Angst zu schüren, und damit Klick- und Verkaufszahlen zu steigern. Dies geschieht vor allem in westlichen Ländern, Japan selbst geht mit schweren Erdbeben sehr gelassen um.
Es ist daher ratsam, sich immer selbst ein Bild von der Lage zu machen. Der Japanische Erdbebendienst stellt wie kaum ein anderer in der Welt alle wichtige Daten binnen Minuten zusammen, einschließlich Intensitäten, die ausschlaggebend für die Schäden sind, und präzise Einschätzungen zur Tsunamigefahr.
Ab Intensität 5- („untere 5“) können an schwach konstruierten Bauwerken Schäden auftreten. Resistente Gebäude werden ab Intensität 6- („untere 6“) bedroht. Tsunamihinweise werden in zwei Formen ausgegeben:
Advisory – Keine direkte Gefahr für Mensch und Eigentum, Küsten und Strände sind Gefahrenbereich
Warnung – Zerstörerische Wellen erwartet, auch Gebäude, die einige Meter vom Meer entfernt sind, können bedroht sein.
Kein Land der Welt ist so gut auf Erdbeben vorbereitet wie Japan, daher ist es aus neutraler Sicht unerklärlich, warum gerade hier immer übertrieben berichtet wird.