In den vergangenen Jahren waren das Cheb-Becken (Eger-Becken) im äußersten Nordwesten Tschechiens und das in Deutschland angrenzende Vogtland Schauplatz mehrerer größerer Erdbebenschwärme. Ereignisse, wie sie dort seit dem Mittelalter immer wieder beobachtet worden sind. Zuletzt erschütterten in Mai und Juni 2018 mehrere hundert Erdbeben das deutsch-tschechische Grenzgebiet, verursachten aber nur geringfügige Gebäudeschäden.
Während die Erdbebenschwärme als indirekte Folge magmatischer Aktivität in der Erdkruste gelten, zeigen jüngste Forschungen, dass das Cheb-Becken in den vergangenen 3000 Jahren auch von starker tektonischer Aktivität geprägt wurde.

Forscher der Akademie der Wissenschaften der Tschechischen Republik, der Universität Prag und der Universität Cincinnati (USA) fanden Hinweise auf mindestens zwei schwere Erdbeben in dieser Zeit, die noch an der Oberfläche zu einem sichtbaren Versatz der Bodenschichten („surface rupture“) führten. Das letzte habe sich erst vor rund 1000 Jahren ereignet und sei damit das jüngste bekannte Erdbeben dieser Art in Mitteleuropa.

So wie der Großteil der jüngeren Erdbebenschwärme im Vogtland gingen auch die datierten Erdbeben auf die Mariánské Lázně Störungszone zurück, welche von einer markanten Topographie geprägt in etwa Nord-Süd-Richtung vom deutschen Markneukirchen bis nach Marienbad verläuft. Sie ist Teil der größeren Regensburg-Leipzig-Störungszone, die an mehreren Abschnitten in neuerer Zeit Aktivität zeigte.
Quer zum Verlauf der Mariánské Lázně Störung hob das Forscherteam um Geologin Dr. Petra Štěpančíková nahe des Ortes Frauenreuth, etwa 7 Kilometer südlich des diesjährigen Erdbebenschwarms, einen 100 Meter langen Graben aus, um die Sedimentablagerungen zu untersuchen. Zudem wurde mit geophysikalischen Methoden der elektrische Widerstand des Untergrunds untersucht, um tiefer liegende Sediment- und Gesteinsschichten zu identifizieren und lokalisieren, um den weiteren Verlauf der Störung im Untergrund zu ermitteln.

Deutliche Spuren von insgesamt sieben vergangenen schweren Erdbeben über Magnitude 6 konnten so identifiziert werden. Während fünf der Beben im Pleistozän (vor 12.000 – 2,5 Mio. Jahren) oder früher aufgetreten sind, fanden die letzten beiden in historischer Zeit statt und gehören damit zu den jüngsten Erdbeben dieser Stärke in Mitteleuropa.
Für Ereignis 2 konnte demnach ein Alter von 3152 bis 2210 Jahren ermittelt werden. Bei diesem Erdbeben wurden Gestein und Sedimente um rund 30 Zentimeter versetzt. Bei einer geschätzten Störungslänge von 11 Kilometern, wobei Novy Kostel (Neukirchen), bzw. das in den letzten Jahrzehnten aktive Schwarmbebengebiet am nördlichen Ende liegt, ergibt sich so eine minimale Magnitude (Mw) von 6.4 bis 6.6.
Das jüngste Erdbeben, Ereignis 1, ereignete sich zwischen 792 und 1020 (nach Christus), was sich mit dem Zeitraum historischer Aufzeichnungen überschneidet. Dieses Beben erreichte bei einem Versatz von maximal 29 Zentimetern mindestens Magnitude 6.1 bis 6.5.

Aus den Chroniken und Erdbebenkatalogen sind eine Reihe von größeren Erdbeben im Bereich Mitteldeutschland / Tschechien bekannt. So listet der Leydecker-Erdbebenkatalog starke Erdbeben in Sachsen in den Jahren 823 und 1088 sowie eines im Jahr 997 in Magdeburg. Štěpančíková et al. nehmen jedoch 998 als Jahr des Erdbebens an. Mehrere Chronisten aus Deutschland und Tschechien schreiben, dass in dem Jahr ein zerstörerisches Beben Teile von Böhmen und Mitteldeutschland betroffen hat. In der Erdbebenchronik von Sieberg (1940) wird dieses Ereignis wie folgt beschrieben:

„Im Juli 998 zerstörendes Erdbeben, angeblich zu Beraun (Slafoschofo) in Böhmen. In Deutschland kräftig fühlbar, vor allem im Meißener Land, vermutlich auch in Quedlinburg, im Mansfeldischen, in Magdeburg und Celle.“

Auch wenn eine exakte Datierung der Ereignisse schwierig ist, zeigt das wiederholte Auftreten schwerer Erdbeben in den vergangenen Jahrtausenden, dass der vergleichsweise harmlose Schwarmbebencharakter der letzten Jahrhunderte nicht als Dauerzustand anzusehen ist. Ein derartiges großes Erdbeben könnte sich in Zukunft wiederholen. In dem Fall könnten nicht nur die Orte unmittelbar am Epizentrum betroffen sein. Auch weiter entferntere Orte in Deutschland und Tschechien wären bedroht, was in zukünftigen Betrachtungen seismischer Gefährdung berücksichtigt werden sollte.

Artikel:
Petra Štěpančíková, Tomáš Fischer, Jakub Stemberk, Lucie Nováková, Filip Hartvich, Paula M. Figueiredo , Active tectonics in the Cheb basin: Youngest documented Holocene surface faulting in Central Europe?. Geomor (2018), https://doi.org/10.1016/j.geomorph.2018.11.007

 


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