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Nordrhein-Westfalen und das Ende des Bergbaus

Bottrop-Grafenwald (5. August 2018)
Das heutige Beben war beängstigend, ich bin um 7.15 aufgestanden & lag noch im Bett. Um 7.38 Uhr gab es ein lautes Geräusch und es bebte 2-5 Sekunden sehr intensiv & anders als sonst. Man hatte das Gefühl, das Haus kippt gleich um. Mein Bett bewegte sich hin und her, ich kann es immer noch nicht fassen, so etwas habe ich noch nie erlebt. Es war sehr heftig, mein Leuchter schaukelte noch lange nach dem es zu Ende war. (Intensität V)

Nordrhein-Westfalen erlebte 2018 ein verhältnismäßig ruhiges Jahr, zumindest tektonische Erdbeben betreffend. Lediglich 10 Beben über Magnitude 1 wurden registriert, davon zwei spürbar und alle am Niederrhein. Die beiden stärksten dieser Beben mit Magnitude 2.6 trafen den Landkreis Düren: Am 21. April lag das Epizentrum bei Merzenich, am 17. November in Hürtgenwald. Während das Hürtgenwald-Erdbeben aufgrund der recht geringen Herdtiefe von nur sieben Kilometern relativ deutlich in einem Radius von bis zu 14 Kilometern (Maximalintensität III) verspürt wurde, erhielten wir zum deutlich tieferen (16 km) Merzenich-Erdbeben, das sich zudem zur Mittagszeit ereignete, keine Wahrnehmungsmeldungen.
Aus empirischen Berechnungen lässt sich jedoch eine Schütterradius von ca. 10 Kilometern bei Maximalintensität II ermitteln. Neben den beiden „Großen“ kam es noch zu drei kleinen, nicht spürbaren Beben im Kreis Düren, drei im Raum Aachen, eines im Rhein-Erft Kreis und eines im Rhein-Sieg Kreis.

Während sich die Erdbebenaktivität im Rheinland in einem Paragraphen zusammenfassen lässt, bräuchte man alleine zum Auflisten der Beben im Ruhrgebiet mehrere Seiten. Und das, obwohl im letzten Jahresdrittel durch das Ende des Regulärbetriebs im Bergwerk Prosper-Haniel, die Aktivität fast auf Nullniveau zurückgegangen ist.
Aufgehend von den Daten der Ruhr-Universität Bochum, haben sich im Jahr 2018 mindestens 232 Erdbeben über Magnitude 1 allein am Bergwerk Prosper-Haniel in Bottrop und Oberhausen ereignet. 456 seismische Ereignisse (ohne Magnitude) registrierte die RAG mit ihrem eigenen Überwachungsnetz.
10 weitere Beben trafen die bereits früher stillgelegten Bergwerke Auguste-Victoria in Haltern am See und das Bergwerk Ost in Hamm.
Wie viele dieser induzierten Beben tatsächlich von der Bevölkerung wahrgenommen wurden, lässt sich schwer ermitteln, da zum Einen die Beben einen sehr begrenzten Schütterradius (teils unter einem Kilometer) aufweisen und das Epizentrum häufig in der fast unbesiedelten Kirchheller Heide lag, und zum Anderen nach Jahrzehnten des Bergbaus schwache Erschütterungen zur Normalität wurden. Generell gilt alles ab Magnitude 1.2 als potentiell spürbar, hängt aber von vielen Faktoren ab.
Von den 29 detektierten Erdbeben über Magnitude 2 in Bottrop können bei mindestens 28 Wahrnehmungen durch eingegangene Zeugenmeldungen belegt werden. Dabei beläuft sich die Maximalintensität, die in den meisten Fällen im Bottroper Ortsteil Grafenwald aufgetreten ist, in der Regel auf II bis III. Fünf Erdbeben waren hingegen so stark, dass sie Intensität IV bis V erreichten, was in Einzelfällen zu kleineren Schäden führen kann: Am 22. Januar (M2.5), 7. März (M2.8), 16. April (M2.9), 25. Mai (M2.8) und am 5. August (M2.9). Besonders letzteres wurde aufgrund der Umstände des Bebens von vielen Anwohnern als besonders stark empfunden, weshalb ich an dieser Stelle auf dieses Ereignis besonders eingehe.

Abb. 3: Isoseistenkarte des Erdbebens (ML2.9) in Bottrop am 5. August 2018 (Daten: erdbebennews.de)

Bereits drei Wochen zuvor hatte am Bergwerk, das in den letzten regulären Betriebswochen lief, eine Phase stark erhöhter seismischer Aktivität eingesetzt, zunächst allerdings nur mit Beben unter Magnitude 2.0. Innerhalb von rund vier Wochen wurden während dieser Sequenz allein über 100 Beben registriert.
Am 25. Juli steigerte sich diese Aktivität zum ersten schwach spürbaren Beben (M2.2). Weitere ähnlicher Magnitude folgten am 29. und 30. Juli. Von da an folgten täglich bis zum 7. August spürbare Beben über Magnitude 2, was am 5. August im Beben der Stärke 2.9 gipfelte. Es ereignete sich an einem Sonntagmorgen und riss entsprechend viele Anwohner aus dem Schlaf, wodurch sich die Erschütterungen für die meisten deutlich stärker angefühlt haben. Aber auch die von der RAG gemessenen Schwinggeschwindigkeiten bestätigten eine stärkere Wahrnehmung. Der Maximalwert lag bei 15 mm/s. Zum Vergleich: Das gleichstarke Beben im April erreichte lediglich 5 mm/s.
Mit der vorangegangenen Woche täglicher Erschütterungen in Grafenwald kam zudem bei einigen Personen die Sorge hinzu, dass noch größere Beben folgen könnte (was sich nicht bestätigte).
Insgesamt 25 Meldungen haben wir zu diesem Erdbeben erhalten, überwiegend aus Bottrop, Gladbeck und Oberhausen. Aber auch im Norden von Essen wurden schwache Erschütterungen verspürt, was einem Schütterradius von 12 Kilometern entspricht.
Während der gesamten Sequenz im August wurden uns drei Fälle von leichten Gebäudeschäden infolge der Erdbeben gemeldet. Eine Schadensmeldung folgte zudem auf das Beben am 16. April.

Mit dem Ende des Regelbetriebs am 14. September folgte auch das Ende der hohen Erdbebenaktivität. Zuvor registrierte die RAG insgesamt 454 seismische Ereignisse seit Januar 2018. Danach waren es bis heute nur noch zwei. Das letzte spürbare Beben am 7. September erreichte Magnitude 1.7.

Trotz des Ende des Bergbaus: Auch in den kommenden Jahren können noch sporadisch spürbare Erdbeben in Bottrop auftreten, wie auch die noch immer auftretenden, kleinen Beben an anderen, bereits lange geschlossenen Bergwerken zeigen. Zudem besteht mit der ab 2025 geplanten Anhebung des Grubenwasserpegels im Ruhrgebiet um bis zu 500 Meter das Risiko, an den während der Bergbauphase aktivierten und reaktivierten Störungzonen im Gestein neue Erdbeben auszulösen. Davon könnte das gesamte mittlere und nördliche Ruhrgebiet betroffen sein. Somit könnte das Thema induzierte Erdbeben das Ruhrgebiet noch für einige Jahrzehnte begleiten, auch ohne dass nochmal Steinkohle ans Tageslicht befördert wird.

Am anderen noch in Betrieb gewesenen Bergwerk Ibbenbüren spielte die Seismizität in diesem Jahr keine Rolle mehr. Lediglich 20 Ereignisse hat die RAG registriert, zu keinem liegen uns Wahrnehmungsmeldungen vor.

Auch an den Braunkohletagebauen wurden im Laufe des Jahres mehrere Erdbeben registriert, insgesamt drei über Magnitude 1, die aufgrund des extrem geringen Herdtiefe potentiell spürbar gewesen sind. Meldungen haben wir allerdings nicht erhalten.

Die 10 stärksten Erdbeben in Nordrhein-Westfalen 2018

Datum Epizentrum Magnitude
16. April Bottrop 2.9
5. August Bottrop 2.9
7. März Bottrop 2.8
25. Mai Bottrop 2.8
21. April Merzenich, Düren 2.6
17. November Hürtgenwald, Düren 2.6
22. Januar Bottrop 2.5
1. August Bottrop 2.4
24. Mai Bottrop 2.4
3. Februar Bottrop 2.3

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