Entlang des Oberrheingrabens gibt es zahlreiche größere Störungen, Spuren der andauernden tektonischen Verschiebung entlang des Grabens, der von Frankfurt im Norden bis Basel im Süden verläuft. Neben den markanten Randstörungen gab es zuletzt viel Forschungsarbeit an den kleineren, jüngeren Störungen innerhalb des Grabens, bereits mit einigen Nachweisen „junger“ schwerer Erdbeben. Eine neue Studie der „Gesellschaft für Naturkunde in Württemberg e.V.“ hat nun die noch eher unbekannte Rüppurrer Störung im südlichen Karlsruher Stadtgebiet untersucht, welche noch an der Oberfläche deutlich erhalten ist und möglicherweise auf mehrere schwere Erdbeben in den vergangenen Jahrtausenden hindeutet.

Abb. 1: Verlauf der Rüppurrer Störung an der Oberfläche (Rote Linie)

Anhand der Höhendaten des aktuellen Digitalen Geländemodells konnte das Autorenduo Prof. Dr. Theo Simon und Prof. Dr. Hartmut Seyfried aus Stuttgart den Verlauf der Rüppurrer Störung verfolgen. Beginnend im Bereich der Autobahn-Anschlussstelle Karlsruhe-Süd bei Ettlingen verläuft die Störung in nördliche Richtung am Westrand von Karlsruhe-Rüppurr bis zum Wasserwerk nahe des Karlsruher Hauptbahnhofs. Relativ markante, plötzliche Höhenunterschiede von 1 bis 3 Metern sind die auch am Boden sichtbaren Relikte dieser Störung. Dabei bildet diese Geländekante zum Teil die Flussböschung der Alb, zum Teil die Böschung von Waldwegen. Geologische Unterschiede auf beiden Seiten der Störung und der markant durchgehende Verlauf weisen auf einen tektonischen Ursprung hin, auch wenn durch menschliche Bebauung und Veränderung die Höhenunterschiede teilweise verfälscht sind. Bohrlochdaten des Wasserwerks belegen jedoch, dass sich die an der Oberfläche sichtbare Verschiebung auch in tieferen Sedimentschichten fortsetzt. Entstanden sind diese Unterschiede durch ruckartige Absenkung des Gesteins (und der aufliegenden Sedimente) westlich der Störung in Form von einem (oder mehreren) großen Erdbeben.

Zudem führte die Ausbildung der Störung wahrscheinlich zu einer Änderung der Fluss- und Bachverläufe in der Region, wie die Autoren aus den geologischen Daten schließen. So könnte der Fluss Alb aufgrund der plötzlichen Ausbildung der Geländekante seinen Verlauf vom ursprünglichen Flussbett durch den heutigen Osten Karlsruhes nach Westen verlagert haben. Zum Teil sei diese Änderung aber auch klimatischen Bedingungen, eventuell Hochwasserereignissen sowie der tieferen Einschneidung des Rheins im Laufe der Zeit verschuldet.
Diese Änderung datieren die Autoren auf einen Zeitraum vor ungefähr 9000 Jahren, womit auch eine grobe Altersbestimmung des störungsbildenden Erdbebens erfolgt wäre. Aufgrund der Länge des sichtbaren Teils der Störung (etwa 5 km) schätzen sie die Stärke des Erdbebens auf Magnitude 5.5 bis 6. Genaueres lässt sich aber aufgrund der Datenlage nicht sagen. Weitere Studien sind nötig, um das genaue Alter der Rüppurer Störung und aller dortigen schweren Erdbeben zu bestimmen.

Kommentar (mit eigener Interpretation):

Abb. 2: Nördlichster Abschnitt der Rüppurrer Störung (rote Linie) am Erlenweg im Oberwald zwischen Wasserwerk und Sportplatz PSK e.V. A und B markieren die Aufnahmeorte der Bilder in Abb. 3.

In den letzten Tagen hatte ich die Gelegenheit, mir die Störung persönlich anzuschauen, um mir selbst ein Bild von der Situation machen zu können. Besonders gut ausgeprägt ist die Geländekante, die durch den Versatz an der Störung entstand (im weiteren Verlauf „Scarp“ genannt), am Erlenweg zwischen dem Wasserwerk und dem Oberwaldbad. Dort bildet die Scarp quasi eine natürliche Böschung mit einer Höhe von 1 bis 2 Metern. Am Fuße der Böschung finden sich mehrere Tümpel. Weiter nach Süden kreuzt die Störung das Vereinsgelände des Sportvereins Post Südstadt Karlsruhe (PSK) e.V. und die Kleingartenanlage Seewiesen, wo sie durch die Bebauung teilweise verdeckt ist. An der Hauptstraße (Ettlinger Allee) lässt sich die Existenz der Störung noch durch eine leichte Hangneigung nachweisen. Ab Höhe der Ostendorfstraße bildet die Scarp den Ortsrand von Rüppurr und verläuft ab dort parallel zur Alb nach Süden.

Abb. 3: Fault Scarp als Böschung am Erlenweg, Blick nach Osten. Der Wald im Hintergrund befindet sich auf „normaler“ Höhe, während der Boden mit dem heutigen Weg durch die tektonischen Bewegungen (Erdbeben) an der Stelle um ein bis zwei Meter abgesenkt wurde.

Die starke Ausprägung der Scarp mit einem Höhenunterschied von mehreren Metern ist sehr auffällig und deckt sich nicht mit bekannten Relationen zwischen Störungsversatz, -länge und Erdbebenstärke (Wells and Coppersmith 1994). Zum Teil ist diese Überhöhung wahrscheinlich der urbanen und landwirtschaftlichen Nutzung geschuldet (eine vorhandene Geländekante eignet sich hervorragend als Gebietsabgrenzung und wird deshalb auch gerne nochmals vergrößert), zum anderen auch möglicherweise einer Auswaschung durch den Fluss. Für ein einzelnes starkes Erdbeben mit Magnitude 6, wo im Normalfall kaum mehr als 10 Zentimeter Versatz an der Oberfläche zu erwarten sind, ist diese Ausprägung dennoch zu deutlich und zu gut erhalten. Gegen ein noch stärkeres Erdbeben (der vorhandene Versatz entspricht etwa Magnitude 7) spricht, wie die Autoren auch betonen, die überraschend geringe Länge der Störung.

Abb. 4: Intensitätsberechnung für ein Erdbeben mit Magnitude 6 an der Rüppurrer Störung

Deutlich wahrscheinlicher scheinen daher wiederholt auftretende Erdbeben im Bereich von Magnitude 6 in den letzten Jahrtausenden, einige davon wahrscheinlich deutlich jünger als 9000 Jahre. Kleinere, sekundäre Geländestufen im Bereich der Störung, die als kleinere, sekundäre Störungen interpretiert werden könnten, würden diese These unterstützen. Was jedoch fehlt sind die geologischen Nachweise, sodass definitiv weitere Untersuchungen nötig sind, um die Frage nach Anzahl, Stärke und Häufigkeit abschließend zu klären. Durch vorhandene historische Aufzeichnungen lässt sich lediglich für den Zeitraum der letzten rund 800 Jahren ein derartiges Erdbeben ausschließen.

Aufgrund der räumlichen Nähe der Störung (und der einhergehenden, möglicherweise wiederholten schweren Erdbeben der Vergangenheit) besteht für Karlsruhe und Ettlingen ein nicht unerhebliches Risiko, sollte sich die Vergangenheit wiederholen. Ein erneutes Erdbeben mit Versatz bis an die Oberfläche könnte besonders im Karlsruher Süden schwere Schäden und zerstörte Gebäude zur Folge haben. Unsere Berechnungen ergeben für Karlsruhe-Rüppurr, -Dammerstock und -Südstadt Intensität VIII, ebenso für Ettlingen (Abb. 5). Zudem könnten durch den Oberflächenbruch die Bahnstrecken für Güter- und Personenverkehr zwischen Karlsruhe Hauptbahnhof und Güterbahnhof sowie die Autobahn 8 und die bedeutende Karlsruher Südtangente erheblich beschädigt werden.

Bereits im vergangenen Herbst hatte eine von Prof. Dr. Reicherter (RWTH Aachen) durchgeführte Grabung südlich von Ettlingen geologische Nachweise von zwei schweren Erdbeben mit etwa Magnitude 6.5 innerhalb der letzten 15.000 Jahre an einer anderen Störung gefunden. Die entsprechende Veröffentlichung steht allerdings noch aus.

Abb. 5: Intensitätsberechnung für ein Erdbeben mit Magnitude 6 an der Rüppurrer Störung, Fokus auf den Raum Karlsruhe

Originalveröffentlichung:
Simon, T., & Seyfried, H. (2020).
Eine frühholozäne oberflächenbrechende Verwerfung im Raum Karlsruhe. Jahresberichte und Mitteilungen des Oberrheinischen Geologischen Vereins, 363-378.


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