Werden Erdbeben durch Computer lokalisiert, sind die Ergebnisse je nach Datenlage oft ungenau. Stationsdichte, Stärke des Erdbebens doch auch menschliche Einflüsse entscheiden, wie präzise die Daten am Ende sind. Menschliche Aktivitäten wie Sprengungen können das System stören. So geschehen heute in Rheinland-Pfalz an der US-Militärbasis Ramstein. Ein Erdbebendienst registrierte ein Erdbeben. Die beiden Quellen der Erschütterungen waren jedoch menschlich.

Unmittelbar südlich der US-Militärbasis Ramstein in Rheinland-Pfalz soll sich am heutigen Donnerstag ein leichtes Erdbeben ereignet haben. Das EMSC, einer der weltweit bekanntesten Erdbebendienste, listet das Ereignis mit Magnitude 3.0 und gibt eine Tiefe von zwei Kilometern an – eine von mehreren Standardwerten für ungenaue Lokalisierungen. Beben dieser Stärke sind in der Regel für Anwohner deutlich zu spüren. Doch Menschen in der Region haben von diesem Ereignis nichts bemerkt.

Epizentrum des vermeintlichen Erdbebens bei Kaiserslautern. Die ShakeMap zeigt, welche Effekte ein solches Beben hätte.

Ein solches Erdbeben in dieser Region wäre selten, aber nicht unmöglich. In diesem Fall kann man jedoch mit Sicherheit sagen, dass das EMSC hier eine Falschlokalisierung (automatisch) weiterverbreitet hat. Ursprüngliche Datenquelle der Meldung ist die französische CEA, die auf ihrer Website automatische und sehr fehleranfällige Registrierungen von Erdbeben veröffentlicht. Da dieser Dienst oft dennoch einen nützlichen Beitrag zur Erdbebenlokalisierung liefern kann, greifen EMSC und andere auf seine Daten zu. In diesem Fall leider zu früh: Die Lokalisierung bei Ramstein war eine Falschmeldung.

„Erdbeben“ bei Ramstein nicht von seismologischen Stationen registriert

Dies ist einfach anhand umliegender seismologischer Stationen zu überprüfen. Weder offizielle Stationen in Saargemünd, Lembach, noch in Insheim oder in Luxemburg zeichneten dieses Ereignis auf. Ebenso eine private Station im Saarland. Dabei wäre ein Beben mit Magnitude 3 noch in hunderten Kilometern Entfernung nachweisbar.

Aufzeichnungen einer offiziellen Station im französischen Lembach. RESIF. (1995). RESIF-RLBP French Broad-band network, RESIF-RAP strong motion network and other seismic stations in metropolitan France [Data set]. RESIF – Réseau Sismologique et géodésique Français. https://doi.org/10.15778/RESIF.FR
Aufzeichnungen einer offiziellen Station bei Saargemünd in Frankreich. RESIF. (1995). RESIF-RAP French Accelerometric Network [Data set]. RESIF – Réseau Sismologique et géodésique Français. https://doi.org/10.15778/RESIF.RA

Aufzeichnungen einer offiziellen Station bei Insheim in Rheinland-Pfalz. Federal Institute for Geosciences and Natural Resources. (1976). German Regional Seismic Network (GRSN). Bundesanstalt für Geowissenschaften und Rohstoffe. https://doi.org/10.25928/mbx6-hr74
Aufzeichnungen einer privaten Station des Raspberry-Shake-Netzes in St. Ingbert im Saarland.

Somit kann zumindest für Ramstein, bzw. Rheinland-Pfalz generell, ein Erdbeben oder eine andere Ursache zu der Zeit ausgeschlossen werden. Dass aber dennoch ein seismisches Ereignis (Erdbeben, Sprengung oder ähnliches) für die Detektion verantwortlich sein muss, ist bei den technischen Details auf der EMSC-Event Page zu sehen. Dort sind mehrere Stationen im Nordosten und Osten Frankreichs aufgelistet, die das Ereignis vermeintlich detektiert haben. Ein paar der hier aufgelisteten Detektionen aus den Alpen, wurden auch von dem Erdbebendienst der Universität Straßburg. einem anderen Erdbebendienst, verwendet. Dieser Erdbebendienst lokalisierte allerdings eine Steinbruch-Sprengung nahe der Stadt Montelimar, rund 540 Kilometer südlich von Ramstein.

Steinbruch-Sprengungen in Nancy und Montelimar

Hinzu kommen deutliche Signale eines Ereignisses an mehreren Stationen westlich der Vogesen. Aus diesen Daten lässt sich grob eine weitere Erschütterungsquelle nahe der Stadt Nancy zu verorten. Auch dort befindet sich ein größerer Steinbruch, wo immer wieder „falsche“ Erdbeben aufgezeichnet werden, zuletzt am 3. Oktober zur nahezu identischen Tageszeit.

Signal einer Steinbruch-Sprengung bei Nancy (Frankreich), aufgezeichnet an der Station Manoville. RESIF. (1995). RESIF-RLBP French Broad-band network, RESIF-RAP strong motion network and other seismic stations in metropolitan France [Data set]. RESIF – Réseau Sismologique et géodésique Français. https://doi.org/10.15778/RESIF.FR
Lokalisierte und bestätigte Steinbruch-Sprengung (M2.5) am 3. Oktober bei Nancy, registriert in Manoville

Fazit: Zwei nahezu zeitgleiche Steinbruch-Sprengungen bei Nancy und Montelimar in Frankreich haben das automatische Erdbebenlokalisierungssystem der CEA so verwirrt, dass es fälschlicherweise ein Beben in Rheinland-Pfalz ermittelte. Dass dieses Epizentrum auch ausgerechnet neben einer Militärbasis liegt, ist ein kurioser Zufall, dessen Hintergründe wohl nur die Software selbst genauer Erklären kann. Ein echtes Erdbeben hat es zu dieser Zeit in Ramstein, Kaiserslautern und umliegenden Orten jedenfalls nicht gegeben. Dies hätten sonst nicht nur die meisten Anwohner, sondern auch alle deutschen Erdbebendienste bemerkt.