Klingenthal: 5000 Erdbeben seit Jahresbeginn, aber kein Erdbebenschwarm

Im Jahr 2024 war der Erdbebenschwarm in Klingenthal eines der seismologischen Highlights in Deutschland. Das erste Mal seit 60 Jahren kam es auf deutscher Seite der Grenze zu einem größeren Vogtland-Schwarm, der mehrere Wochen anhielt und zu 60 spürbaren Erdbeben im oberen Vogtland führte. Die Aktivität, wenn auch kontinuierlich abnehmend, hörte nie wirklich auf. So ist das erneute Aufleben am 2. Januar keine zu große Überraschung. Ein Erdbeben der Stärke 2.6 weckte am frühen Morgen des 2. Januar viele Vogtländer. Die Erschütterungen waren vor allem in Klingenthal und Nachbarorten deutlich zu spüren, reichten aber auch bis nach Oelsnitz, Auerbach und vereinzelt in den Nordosten von Bayern (siehe Abbildung 1). Zu Schäden kam es bei dem Erdbeben nicht.

Abbildung 1: Erschütterungskarte des Erdbebens in Klingenthal (M2.6) am 2. Januar 2025. Intensitätsberechnung: Erdbebennews. Basemap: OpenStreetMap.

Zwar gab es bereits Ende Dezember wieder vermehrt sehr kleine Erdbeben in Klingenthal. Doch ein wirkliches Aufbauen der Aktivität, wie man es von einem Erdbebenschwarm kennt, war dies nicht. Ein einzelnes Erdbeben, dem eine sehr aktive Serie kleinerer Beben folgte. Mehrere mit Magnitude 2.2 und 1.9 wurden dabei leicht verspürt. Insgesamt lokalisierte das Thüringer Seismologische Netz (TSN) knapp 400 Erdbeben. Deutlich mehr konnten durch Musteranalysen gefunden werden. Dies waren bis 1 Uhr am 11. Januar insgesamt 5026 Beben. Zum Vergleich: Über Musteranalyste erfasst wurden von März bis August 2024 rund 55.000 Erdbeben in Klingenthal.

5000 Erdbeben in Klingenthal in acht Tagen

Trotz der sehr großen Bebenanzahl: Um einen Erdbebenschwarm wie im Vorjahr handelte es sich hierbei nicht. Viel mehr zeigten sich Eigenschaften einer klassischen Sequenz aus Haupt- und Nachbeben. Nicht nur, dass das stärkste Beben direkt zu Beginn kam. Auch nahm die Intensität der Nachbeben im Laufe der Folgetage kontinuierlich exponentiell ab (siehe Abbildung 2), wenn auch mit Schwankungen. Eine passable aber nicht sehr präzise Magnitudenermittlung aus der Musteranalyse ergibt eine stetige Abnahme der durch die Erdbeben freigesetzte Energie.

Abbildung 2: Stündliche aufsummierte Energiefreisetzung durch automatisch detektierte Erdbeben (via Musteranalyse) in Klingenthal vom 2. bis zum 11. Januar 2025. Erkennbar ist eine stetige Abnahme der Energiefreisetzung, resultierend aus rückläufiger Bebenanzahl und -stärke. Einzelne größere Nachbeben sorgen für Schwarnkungen und Ausreißer nach oben. Karte und Daten: Erdbebennews.

Eine ähnliche Hauptbeben-Nachbeben-Sequenz ereignete sich in Klingenthal bereits im Juli 2024, damals mit einem Hauptbeben ähnlicher Magnitude. Interessanterweise waren auch die drei Hauptbeben des Schwarms in April nur unwesentlich stärker (Magnitude 2.7). Der Wechsel von Erdbebenschwarm (im April 2024) zu Hauptbeben-Nachbeben-Sequenzen lässt sich durch veränderte Entstehungsmechanismen erklären.

Aktivität in Klingenthal an gleicher Störungszone wie im April

Den Erdbebenschwarm lösten magmatische Fluide (Wasser und Gase) aus, die aus großer Tiefe durch die Erdkruste aufstiegen und dabei zu Rutschungen entlang einer Störungszone führten. Mit abnehmendem Zustrom von Fluiden aus der Tiefe endete der Erdbebenschwarm. Durch die mehr als 50.000 Beben baute sich jedoch auf unmittelbar angrenzende Gesteinsschichten (im aktuellen Fall: Unmittelbar nördlich) neuer Druck auf, der sich dann zeitverzögert in Form der neuen Hauptbeben entlud. Verbleibende Fluide innerhalb der Störungszone wurden dann durch das Hauptbeben erneut angeregt, was zu dieser sehr intensiven Nachbebenserie führte.

Abbildung 3: Lokalisierte Klingenthal-Erdbeben vom 2. bis zum 10. Januar 2025. Erkennbar ist eine Orientierung entlang einer Nordwest-Südost verlaufenden Achse parallel zur Bergen-Klingenthal-Chodov-Störungszone. Zudem nimmt die Tiefe der Beben in nordöstliche Richtung zu. Abweichungen davon am südwestlichen Rand des Clusters resultieren aus ungenauen Lokalisierungen aufgrund eines temporären Ausfalls mehrerer seismologischer Stationen in Tschechien am Vormittag des 2. Januar. Gitterartige Anordnung der Epizentren sind auf Rundung der Koordinaten zurückzuführen. Daten: Thüringer Seismologisches Netz. Karte: Erdbebennews. Basemap: OpenStreetMap.

Dass sich der Schwarm im April und die späteren Nachbeben in der selben Störungszone, nur an angrenzenden Positionen ereigneten, zeigt auch die Verteilung der Epizentren (Abbildung 3). Diese folgen seit dem 2. Januar, wie auch der vorherige Erdbebenschwarm, einer Nordwest-Südost verlaufenden Achse. Zudem nimmt die Tiefe der Bebenherde Richtung Nordost zu. Dies entspricht dem Verlauf der bekannten Bergen-Klingenthal-Chodov-Störungszone (vgl. Van Laaten 2023, doi.org/10.1007/s10950-023-10146-8). Der aktive Bereich hat einen Durchmesser von rund einem Kilometer. Die Ungenauigkeiten der Epizentren liegen bei etwa 200 Metern. Im Laufe der Aktivität zeigen sich leichte Verlagerungen der Erdbebenherde (siehe Animation unten), was den Einfluss von Fluiden belegt.

Somit lassen sich klare Zusammenhänge zwischen dem Erdbebenschwarm im April und dem erneuten Beben in Januar herleiten. Um einen neuen Schwarm handelte es sich nicht. Lediglich um Folgeaktivität, die aus dem April-Schwarm resultierte. Dies zeigt auch, dass das Gebiet um Klingenthal weiterhin aktiv ist und auch in Zukunft an dieser Stelle mit Erdbeben, möglicherweise sogar mit neuen Schwärmen, gerechnet werden muss.

Animation: Erdbeben im Klingenthal vom 2. bis zum 10. Januar 2025

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