In der Nacht zum 31. Oktober wurde die Osteifel von einem spürbaren Erdbeben der Magnitude 2.7 erschüttert. Das Epizentrum lag bei Ochtendung, wenige Kilometer südlich des Laacher Sees. Solche Beben sind in der Region nicht ungewöhnlich, doch der Zeitpunkt fällt in eine Phase erhöhter seismischer Aktivität rund um das Vulkansystem der Eifel – einschließlich mehrerer sogenannter DLF-Erdbeben (Deep Low Frequency) und eines kleinen Schwarms unter dem Laacher See Mitte Oktober. Eine Einschätzung der Situation.

Magmatische Fluide als Auslöser

In der Eifel kommen zwei Arten von Erdbeben vor. Zum Einen sind dies „normale“ tektonische Erdbeben, die in der oberen Erdkruste entstehen. Auslöser dieser Beben ist Bewegung entlang einer tektonischen Störung, also an einem Riss in der Erdkruste. Der andere Typ sind sogenannte Deep Low Frequency Erdbeben (DLF). DLF-Erdbeben entstehen in der Eifel in Tiefen von etwa 20 bis 40 Kilometern, wo heißes, magmatisches Fluid – vor allem Gase – durch Klüfte und Störungszonen in der unteren Erdkruste zirkuliert. Zuletzt kam es am 15. Oktober bei Mendig zu einem DLF mit Magnitude 1.5. Wenn diese Fluide entlang bestehender Schwächezonen aufsteigen, können sie in der oberen Kruste Spannungsänderungen hervorrufen und dort Erdbeben auslösen.

Auch das Erdbeben bei Ochtendung passt in dieses Muster. Es erreichte nach geprüften Daten des Erdbebendienstes Südwest Magnitude 2.7, trat in 12 Kilometern Tiefe auf und ging mit sehr kleinen Vor- und Nachbeben einher. Gemäß tektonischer Art ereignete es sich entlang der Ochtendung-Störungszone, einer tektonischen Linie mit häufiger Erdbebenaktivität. Diese Störungszone ist laut der jüngsten Studie von Zhang et al. (2025) direkt mit dem magmatischen System unter der Osteifel verbunden. Diese Verbindung könnte als Aufstiegsweg für Fluide dienen – ähnlich wie beim Erdbebenschwarm unter dem Laacher See am 9. und 10. Oktober, der wohl durch dieselben Prozesse ausgelöst wurde.

Wiederkehrende Muster seit 2013

Ein Vergleich mit früheren Ereignissen zeigt auffällige Parallelen: Nach den sehr tiefen DLF-Erdbeben im Jahr 2013 kam es etwa zwei Monate später zu einem spürbaren Beben bei Ochtendung. 2018 folgte 18 Tage nach einem stärkeren DLF bei Mendig ein Beben der Magnitude 2.5 – ebenfalls in Ochtendung. Dieses Jahr beträgt der zeitliche Abstand zwischen den DLFs Mitte Oktober und dem jetzigen Ereignis knapp 16 Tage.

Grafik aus Hensch et al. 2019: Räumliche Darstellung bekannter DLFs und tektonischer Erdbeben in der Osteifel bis 2018.

Solche wiederkehrenden Zeitmuster können auf periodische Fluidbewegungen hindeuten, die von der unteren in die obere Erdkruste reichen. In allen drei Fällen gingen vergleichsweise starke DLF-Erdbeben voraus. Je stärker das DLF, desto größer mutmaßlich die Fluidmenge – und damit auch die Wahrscheinlichkeit, dass Fluide weit aufsteigen. Nicht auf jedes DLF folgten bisher flache tektonische Beben. Ebenso ging nicht jedem tektonischen Beben ein DLF voraus. Doch die wiederholte Korrelation spricht für ein wiederkehrendes Muster – zumindest bei größeren Fluidereignissen. Für die Forschung ist das ein wichtiger Hinweis darauf, dass in der Osteifel regelmäßig Energie über Fluidströme übertragen wird, die mitunter kleinere Erdbeben auslösen können.

Warum mehrere Beben in kurzer Zeit kein Grund zur Sorge sind

In den letzten Wochen wurden in der Großregion Eifel–Taunus vier spürbare Erdbeben registriert. Neben Ochtendung und dem Laacher See bebte es auch in der Vulkaneifel bei Boos sowie im Raum Bonn und im Taunus bei Wiesbaden. Diese augenscheinliche Häufung von Erdbeben im Südwesten Deutschlands führte zu viel Spekulation in den Kommentarspalten von Erdbebennews. Vier Ereignisse über Magnitude 2 innerhalb von drei Wochen sind zwar ungewöhnlich dicht beieinander, aber kein Hinweis auf eine übergeordnete Aktivierung. Auch die zuvor aufgetretenen Erdbeben bei Mörsdorf im Hunsrück sowie mehrere Erdbeben am Kaiserstuhl entstanden unabhängig voneinander.

Für einen echten regionalen Zusammenhang müssten großräumige Anzeichen wie Bodenhebungen oder eine deutliche Zunahme der seismischen Aktivität vorliegen – das ist derzeit nicht der Fall. Daher ist mit hoher Wahrscheinlichkeit von zufälligen zeitlichen Überlagerungen unabhängiger Prozesse auszugehen. Sprich: Dass mehrere Erdbeben an unterschiedlichen Orten in kurzer Zeit auftraten, ist nichts als Zufall. Nur zwischen den DLF-Erdbeben, dem Schwarm unter dem Laacher See und dem Beben entlang der Ochtendung-Störungszone gibt es einen plausiblen physikalischen Zusammenhang.

Ausblick und Einschätzung

Da das Ochtendung-Beben vermutlich auf denselben Fluiddruck zurückzuführen ist, der bereits Mitte Oktober tiefere DLF-Erdbeben auslöste, könnte die seismische Aktivität in der Region noch eine Weile anhalten. Anders als im Vogtland, wo aufsteigendes CO₂ wiederholt Schwärme in der oberen Kruste auslöst, zeigen Ereignisse in der Eifel derzeit häufiger Einzelbeben mit kurzen Nachbebensequenzen. Ein möglicher Grund ist, dass Temperatur- und Gesteinseigenschaften einen Teil der Deformation aseismisch ablaufen lassen.

Das Erdbeben bei Ochtendung ist kein Anzeichen für erhöhte vulkanische Aktivität, wohl aber ein weiterer Baustein im komplexen seismischen System der Eifel. Die wiederholten zeitlichen Korrelationen zwischen tiefen DLF-Ereignissen und flachen Beben zeigen, dass magmatische Fluide eine aktive Rolle im Spannungsfeld der Region spielen und Einfluss auf die Erdbebenaktivität haben. Für die Bevölkerung besteht kein Grund zur Sorge. Die Aktivität, die wir zuletzt beobachten, sehen wir nur, weil wir erst seit kurzem genau hinschauen. Für die Forschung hingegen liefert das Ereignis wertvolle Hinweise darauf, wie tief liegende Prozesse und oberflächennahe Störungen in der Eifel zusammenwirken.

 

Hinweis: Dieser Text und seine Inhalte basieren auf Einschätzungen von Jens Skapski von erdbebennews.de. Es handelt sich nicht um offizielle Aussagen von Landesämtern oder sonstigen Behörden.

Von Jens Skapski

31 Jahre alt (geboren 1994), seit 2013 Betreiber von Erdbebennews (privates Projekt), seit 2024 Erdbebenauswerter beim Thüringer Seismologischen Netz an der Uni Jena (beruflich).