Wenn die Erde bebt, denken viele zuerst an das Zittern des Bodens – doch manche Menschen berichten zusätzlich von einem dumpfen Grollen, Knacken oder Rumpeln. Diese Geräusche können tatsächlich vom Erdbeben selbst stammen. Sie entstehen, wenn die seismischen Wellen im hörbaren Frequenzbereich liegen oder sich an der Erdoberfläche in Schallwellen umwandeln.

Vom Infraschall bis zum hörbaren Rumpeln

Ein Erdbeben setzt elastische Wellen in der Erde frei. Die meisten davon sind zu tief frequent, um vom menschlichen Ohr wahrgenommen zu werden. Dennoch kann es – vor allem bei kleineren, oberflächennahen Ereignissen – vorkommen, dass bestimmte Wellenanteile in den hörbaren Bereich übergehen. Besonders P-Wellen, also die schnellsten und ersten ankommenden Wellen eines Bebens, enthalten manchmal hohe Frequenzen, die im Boden oder in Gebäuden als dumpfes Grollen oder Knall hörbar werden. Größere Erdbeben hingegen liegen eher im Frequenzbereich von Infraschall und sind daher für das menschliche Ohr nicht hörbar.

Auch Bauwerke, Hohlräume oder felsiger Untergrund können Schwingungen verstärken und in hörbare Schallwellen umwandeln. Je nach Entfernung zum Epizentrum und Beschaffenheit des Bodens klingt das Erdbeben dann ganz unterschiedlich – von einem kurzen Knack bis zu einem tiefen Donnern. Auch beim neuesten leichten Erdbeben in der Nähe von Bonn sprach die Mehrheit der Zeugen von rein akustischen Wahrnehmungen wie einem Donnern oder einem Grollen.

Seismologische Aufzeichnung des Meckenheim-Erdbebens am 8. Oktober 2025 an der BGR-Station in Ahrweiler. Eine solche Seismische Welle verhält sich im Gestein ähnlich wie Schall in der Luft. Trifft die seismische Welle auf die Erdoberfläche, wird sie zu einer Schallwelle.

Das Beispiel Vogtland: Grollen aus der Tiefe

Im Vogtland, wo sich in regelmäßigen Abständen Schwarmbeben ereignen, berichten viele Anwohner immer wieder von knallartigen Geräuschen. Die Beben dort sind meist schwach, treten aber in dichter Folge auf. Oft liegen ihre Herde in relativ geringer Tiefe, was die Übertragung hoher Frequenzen begünstigt.

Hinzu kommt: Der Untergrund im Grenzgebiet zwischen Deutschland und Tschechien besteht aus festem, sprödem Gestein. Wenn sich dort Spannungen lösen, kann der Bruchvorgang ähnlich schnell ablaufen wie bei einer Sprengung – das erzeugt akustisch wahrnehmbare Druckwellen. Entsprechend ähneln manche der kleinen Erdstöße in Kraslice, Klingenthal oder Luby kurzen Donnerschlägen oder entfernten Explosionen.

Auch bei der aktuellen Erdbebenserie im Hunsrück bei Mörsdorf berichten einige Menschen, sie hätten ein dumpfes Grollen gehört, manchmal Sekundenbruchteile vor dem eigentlichen Zittern. Auch hier kommt die stabile Gesteinsstruktur des Hunsrücks ins Spiel, die seismische Energie effizient überträgt. Selbst wenn die Magnituden meist unter 2,0 liegen, kann der lokale Schalldruck ausreichen, um kurzzeitig ein hörbares Geräusch zu erzeugen – besonders nachts, wenn Umgebungsgeräusche fehlen.

Nicht jedes Erdbeben ist hörbar

Ob man ein Erdbeben hört, hängt also von vielen Faktoren ab: von der Tiefe, der Stärke, der Bodenbeschaffenheit und der eigenen Entfernung zum Epizentrum. Tiefe oder ferne Erdbeben sind meist völlig lautlos, während sehr oberflächennahe, spröde Brüche sogar bei geringer Stärke hörbar sein können.

Deshalb gilt: Wer beim nächsten Beben im Vogtland oder in Mörsdorf ein dumpfes Grollen oder einen kurzen Schlag wahrnimmt, bildet sich das nicht ein – er hört tatsächlich, wie sich die Erde bewegt.

Von Jens Skapski

31 Jahre alt (geboren 1994), seit 2013 Betreiber von Erdbebennews (privates Projekt), seit 2024 Erdbebenauswerter beim Thüringer Seismologischen Netz an der Uni Jena (beruflich).