Nuklearwaffentests gehören zu den größten Explosionen, die Menschen jemals ausgelöst haben. Sie sind – ob oberirdisch oder unterirdisch – verheerend und haben in der Vergangenheit weite Landstriche kontaminiert. Entsprechend groß ist seit Jahrzehnten das internationale Bestreben, solche Tests zu verhindern und nukleare Abrüstung zu fördern. Ein wichtiger Baustein dieser Kontrolle ist die Seismologie: Sie kann erkennen, wann und wo auf der Erde eine gewaltige Explosion stattgefunden hat.
Trumps Behauptung und die seismologische Realität
Kürzlich sorgte US-Präsident Donald Trump für Aufsehen, als er ankündigte, die USA sollten wieder Atomwaffentests aufnehmen. Zwar stellte sein Stab später klar, es seien nur nicht-explosive Experimente gemeint – doch Trump begründete seine Aussage mit dem Vorwurf, andere Staaten wie China, Russland, Nordkorea und Pakistan würden regelmäßig unterirdische Atomwaffentests durchführen. Belege legte er nicht vor.
Aus seismologischer Sicht ist das eine bemerkenswerte Behauptung. Denn schon während des Kalten Krieges, als Atomtests noch an der Tagesordnung waren, wurde das weltweite Überwachungsnetz so stark ausgebaut, dass praktisch jede größere Explosion messbar wurde.
Explosionen, die die Erde erzittern lassen
Jede größere Explosion erzeugt Druckwellen, die sich in Luft, Wasser und Gestein ausbreiten – und in der Erde seismische Wellen auslösen. Ähnlich wie bei einem Erdbeben können diese Wellen tausende Kilometer weit registriert werden. Je stärker die Explosion, desto größer die Magnitude des seismischen Ereignisses.
Bereits in den 1960er-Jahren wurden in Westdeutschland dafür spezielle Messstationen eingerichtet, darunter das Gräfenberg-Array und das GERES-Array in Bayern. Es sollte helfen, seismische Ereignisse jenseits des Eisernen Vorhangs zu erkennen – insbesondere mögliche Atomwaffentests. Solche Arrays sind geometrisch optimiert angeordnete Stationen, die aus der Richtung und Laufzeit der Wellen Rückschlüsse auf das Ereignis ziehen können.
Globale Überwachung: Das CTBTO-Netzwerk
Heute ist die seismologische Überwachung noch engmaschiger. Die Comprehensive Nuclear-Test-Ban Treaty Organization (CTBTO) betreibt weltweit mehr als 200 spezielle Seismometer, ergänzt durch Infraschall-, Hydroakustik- und Radionuklid-Stationen. Zusammen bilden sie ein globales Netzwerk, das jede größere Explosion aufspüren kann – auch in Ländern, die ihre eigenen Netze nicht öffentlich betreiben.
Diese Stationen befinden sich auch in geopolitisch sensiblen Regionen: in Russland, China, auf der Arabischen Halbinsel und im Pazifikraum. Ergänzend nutzen Seismologen auch die Daten normaler Erdbebenstationen, etwa vom USGS oder GEOFON. Lokal gibt es zudem dichte Netze zum Beispiel in Skandinavien, Zentralasien, Japan und Alaska, die auch über große Distanzen kleinere Erschütterungen aufspüren können.

Beispiel Nordkorea: Seismische Spuren einer Bombe
Wie zuverlässig diese Systeme funktionieren, zeigte sich bei den sechs unterirdischen Atomtests Nordkoreas zwischen 2006 und 2017.
Jede einzelne Explosion wurde innerhalb von Minuten weltweit registriert.
Die Magnituden lagen zwischen 4.1 und 6.3, entsprechend Sprengkräften von rund 700 Tonnen bis über 200 Kilotonnen TNT.
Auch kleinere Tests waren damit klar erkennbar – vor allem auch dank der extrem dichten Netze in Japan und Südkorea.
Explosion oder Erdbeben? So erkennt man den Unterschied
Atomwaffentests sind seismisch zwar ähnlich wie Erdbeben – doch die Details verraten sie:
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Wellentypen: Explosionen erzeugen vor allem P-Wellen (Druckwellen), während Erdbeben auch starke S-Wellen (Scherwellen) besitzen.
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Frequenzinhalt: Die Signale einer Explosion sind oft „sauberer“ und hochfrequenter als große Erdbeben.
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Quellenmechanismus: Erdbeben entstehen durch eine Scherbewegung entlang einer Bruchfläche; Explosionen sind nahezu punktförmige Druckereignisse. Beides lässt sich aus dem seismischen Signal zurückrechnen.
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Ort und Tiefe: Explosionen liegen meist in wenigen hundert Metern Tiefe und treten an bekannten Testgeländen auf, während echte Erdbeben oft deutlich tiefer in der Erdkruste stattfinden.
Diese Unterschiede sind auf Seismogrammen deutlich sichtbar – ein erfahrener Seismologe verwechselt ein Atomwaffenereignis nicht mit einem natürlichen Beben. Mehrere internationale Erdbebendienste prüfen die Daten zudem unabhängig voneinander.
Wie empfindlich sind die Netze wirklich?
Internationale seismologische Kataloge wie USGS oder GEOFON sind heute so vollständig, dass in fast allen Landregionen der Erde Ereignisse ab Magnitude 4 sicher erkannt werden – vielerorts auch deutlich schwächer dank lokaler Netze.
Selbst im dünn besiedelten Norden Sibiriens wurden in den letzten Jahren mehrere Erdbeben ab Magnitude 4.0 erfasst. Aufgrund der besonderen Erdbebenaktivität dort ist die Region seit längerer Zeit im wissenschaftlichen Fokus. Dort hilft die permanente Station TIXI im Lena-Delta, und sogar Messpunkte im 3000 Kilometer entfernten Alaska lieferten Daten für eine erste Ortung.
Das zeigt: Selbst relativ kleine seismische Ereignisse sind messbar, wenn man gezielt danach sucht – und das tut man bei möglichen Atomwaffentests ganz sicher.
Wie stark wäre ein „kleiner“ Atomtest?
Die kleinste im US-Arsenal gebaute Atombombe (W54) hatte eine Sprengkraft zwischen 10 und 1000 Tonnen TNT – das entspricht ungefähr einem Erdbeben der Magnitude 4.
Damit liegt die seismische Energie solcher Tests nahe der globalen Nachweisgrenze.
Der erste nordkoreanische Test 2006 mit rund 700 Tonnen TNT wurde als Magnitude 4.1 registriert – klein, aber eindeutig.
Selbst wenn ein Land versuchen würde, die seismische Kopplung zu verringern (z. B. durch Tests in Hohlräumen oder Salzstöcken), wäre eine Explosion dieser Stärke kaum zu verbergen. Hinzu kommen Radionuklid-Messungen, die radioaktive Edelgase wie Xenon nachweisen können – auch ohne seismisches Signal.
Fazit: Die Erde verrät jeden Atomtest
Seismologische Überwachung ist heute so empfindlich, dass kein Land regelmäßig Atomwaffen testen kann, ohne entdeckt zu werden.
Explosionen ab etwa Magnitude 4 werden weltweit sicher registriert – und kleinere Tests wären militärisch kaum sinnvoll.
Die Behauptung, China, Russland, Pakistan oder Nordkorea würden „regelmäßig“ Atomwaffen testen, ist daher seismologisch kaum haltbar.