Das Ruhrgebiet gehört bei Betrachtung historischer Erdbebenkataloge zu den seismisch aktivsten Gebieten Deutschlands. Nicht wegen natürlicher Aktivität, denn eigentlich ist das Ruhrgebiet quasi frei von natürlichen Erdbeben, sondern wegen des Bergbaus. Eine besonders aktive Region stellten die Städte Hamm und Bergkamen vor, wo sich das ehemalige Bergwerk Ost befindet. Mit dem Schließen der Zeche 2010 nahm die Zahl der Erdbeben deutlich ab. 2019 lebte die Aktivität jedoch wieder auf und bringt den Anwohnern einiger Hammer Stadtteile wieder gelegentliche kleine Erschütterungen.

Erdbeben in Hamm
Registrierte Erdbeben rund um das ehemalige Bergwerk Ost zwischen Hamm und Bergkamen seit 2019. Erdbebendaten: Ruhr-Universität Bochum. Stand: August 2020

Das stärkste dieser erneuten Erdbeben bisher erreichte Magnitude 2.6. Damit war es deutlich in den umliegenden Stadtteilen zu spüren, verursachte aber keine nennenswerten Schäden. Bergbauinduzierte Erdbeben wie diese in Hamm treten für gewöhnlich in sehr geringer Tiefe ober- oder direkt unterhalb der Abbaugebiete auf, also rund ein Kilometer unter der Oberfläche. Diese geringe Tiefe führt dazu, dass selbst kleinste Beben vereinzelt verspürt werden können. Für das Ruhrgebiet gilt der Richtwert, dass Beben ab Magnitude 1.2, abhängig vom genauen Epizentrum, potentiell wahrnehmbar sind.

Aktuelle Erdbeben in Deutschland, einschließlich Erdbeben in Hamm

So ist zu erwarten, dass trotz fehlender Beobachtungen viele der seit rund einem Jahr registrierten Beben verspürt werden konnten, wenn auch nur in einem sehr kleinen Gebiet. Hamm ist damit im Moment die einzige Region im Ruhrgebiet mit regelmäßiger spürbarer Erdbebenaktivität.

Grundwasseranstieg führt zu Erdbeben in Hamm

Dass fast zehn Jahre nach Schließen der Zeche eine erneute seismisch aktive Phase einsetzt, hat aber nur indirekt mit dem Bergbau zu tun. Zwar setzen diese Erdbeben Spannungen im Gestein frei, die der Abbau der Steinkohle im umliegenden Gestein verursacht hat, der letzte Auslöser ist allerdings das Grundwasser. Über Jahrzehnte war ein Abpumpen des Grubenwassers notwendig, um den Kohleabbau zu ermöglichen. Nach Ende des Bergbaus ist dies nun nicht mehr notwendig. Zumindest die unteren Grundwasserschichten, in denen der Großteil des Kohleabbaus stattfand, kehren nun in den natürlichen Zustand zurück. Das Wasser wirkt in dem zerklüfteten und bearbeiteten Gestein wir ein Schmiermittel, wodurch die künstlich induzierten Spannungen langsam abgebaut werden.

In Hamm, früher Stadt des Ruhrgebiets mit den meisten Erdbeben, hat schon ein geringer Anstieg gereicht, um die erneuten Beben auszulösen. Andere durch Grundwasseranstieg ausgelöste Beben hat es bisher nur vereinzelt in der Grenzregion von Bochum und Herne gegeben. In den kommenden Jahren, mit fortschreitend steigendem Wasserspiegel, können diese aber auch in anderen ehemaligen Bergbaugebieten des Ruhrgebiets auftreten.

In den letzten Jahren war zu beobachten, dass sich die Erdbeben ausbreiten. Während ursprünglich nur die Hammer Stadtteile Pelkum und Herringen betroffen waren, gibt es nun erste Erdbeben nördlich der Lippe, unter anderem in Bockum-Hövel. Auch in der Nachbarstadt Bergkamen kam es 2021 zu ersten Erdbeben. Bönen folgte 2021.

Um diese neuen Erdbeben zu überwachen, hat die Ruhr-Universität Bochum im Frühjahr 2020 ihr Stationsnetz in Hamm erweitert. 20 Stationen, sie selbst kleinste Bewegungen erfassen, befinden sich nun zwischen Hamm und Bergkamen. Mithilfe der Daten wird die genaue Entstehung und Entwicklung der Erdbeben in Hamm erforscht. Zudem bieten die Daten eine wichtige Informationsquelle für betroffene Anwohner.

Wie lange die Erdbeben in Hamm andauern werden, lässt sich nicht vorhersagen. Ebenso ist es unmöglich zu sagen, ob es in den kommenden Monaten und Jahren noch stärkere Beben gibt und wie oft spürbare Ereignisse zu erwarten sind. Wie schon zu Zeiten, als der Bergbau noch lebendig war, kann man nur abwarten. Nur dass diesmal ein Ende nicht einfach absehbar ist.

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