In Deutschland ist es gerade heiß und schwül. Zumindest da, wo keine heftigen Gewitter für kurzfristige Abkühlung sorgen. Während der eine Teil der Bevölkerung sich über warme Tage freut, gibt es viele, die schon wieder den ersten Frost herbeisehnen, bevor der Sommer überhaupt offiziell angefangen hat. Um diesen Menschen das Warten auf den Winter zu erleichtern, möchten wir euch hier ein Phänomen vorstellen, das nur in strengen Wintern auftritt.

Ein lauter Knall wie eine Explosion, gefolgt von einer sanften Vibration, die das Geschirr im Schrank klirren lässt. So könnte man ein leichtes Erdbeben beschreiben. Oder ein Gewitter. Unwahrscheinlich im Januar 2015 in Ontario, Kanada. Das, was auch Bewohner der kanadischen Hauptstadt Ottawa vernommen haben, war ein sogenanntes Frostbeben.
Seit dem Jahrhundertwinter 2013 / 2014 sind diese Ereignisse in Nordamerika immer wieder in den Schlagzeilen. Dabei treten sie vor allem in Kanada und den nördlichen US-Bundesstaaten in jedem Jahr auf. Vorher waren Frostbeben in der Bevölkerung weitestgehend unbekannt. Doch durch das häufige Auftreten in diesen Monaten wurden diese Ereignisse der Öffentlichkeit deutlich zugänglicher. Und so war es auch 2015 kein großes Geheimnis mehr, was den lauten Knall in Ottawa verursacht hatte.

Frostbeben, in englischen Fachkreisen als „Cryoseism“ bezeichnet, entstehen oberflächennah im Boden, meist in direkter Folge eines starken Temperatursturzes nach einer nassen, milden Wetterperiode. Das in Poren und Klüften gelagerte Grundwasser unterkühlt dabei unter den Gefrierpunkt. Die durch das Gefrieren verursachte plötzliche Ausdehnung führt zur Bildung von Rissen im Boden und im Gestein, ähnlich wie bei einem Erdbeben, die sich durch einen lauten Knall und leichte Bodenbewegung bemerkbar macht. Je nach Größe des Risses kann ein Frostbeben unterschiedlich stark sein. Die stärksten können dabei sogar kleine Risse in Straßen und Häusern verursachen. Eine Gefahr für Menschen stellen diese Ereignisse allerdings nicht da. Meist ist es nur das Geräusch, das Menschen verunsichert. Da ein starker Temperatursturz Grundvoraussetzung für die Entstehung von Frostbeben ist, treten diese meisten am frühen Abend nach Sonnenuntergang oder in der Nacht auf.

Ähnlich wie bei echten Erdbeben ist auch der Wirkungsbereich von Frostbeben abhängig von der Tiefe.
Da diese bei Frostbeben im Meterbereich liegt, ist auch das „Schüttergebiet“ begrenzt, meist auf einen Ortsteil oder weniger. Somit bleibt der Großteil der Frostbeben, die kaum instrumentell nachgewiesen werden können, unentdeckt, da sie sich in unbesiedelten Gebieten ereignen. Doch umso größer ist die Überraschung, wenn es Großstädte wie Toronto (2014) oder Ottawa (2015) trifft. Auch 2017 hat es Ontario wieder erwischt.
Besonders beim Aufzug der in Amerika berüchtigten Blizzards ist mit Frostbeben zu rechnen. Dabei kann es auch Regionen weiter südlich treffen, so wie im Januar 2016 die Stadt Wichita im Süden des US-Bundesstaates Kansas (etwa auf dem gleichen Breitengrad wie Sizilien).

Auch in Europa gibt es Frostbeben, wenn auch deutlich seltener, da hier die Bedingungen zur Entstehung meist schlechter sind.
Schlagzeilen machte im Januar 2016 ein Frostbeben in der Finnischen Stadt Oulo, das von vielen Menschen als „starkes Erdbeben“ in einer sonst seismisch inaktiven Region empfunden wurde. Es war so stark, dass sogar ein Wohnhaus beschädigt wurde. Während der gesamten Jahreswende, auch am Heiligen Abend, wurden in Finnland Frostbeben verzeichnet. Günstig diesmal: Die Schneedecke, die sonst ein rasches Abkühlen des Bodens verhindern würde, fehlte.
Besonders im osteuropäischen Raum und in Russland sind Frostbeben, wenn auch selten, bereits seit dem 19. Jahrhundert bekannt. Ein in der lettischen Hauptstadt Riga im Januar 1870 verspürtes Erdbeben wird in neueren Studien als Frostbeben eingeordnet.
Während einer strengen Kälteperiode im Winter 1908/1909 gibt es Meldungen über Frostbeben aus Westrussland, Weißrussland, Litauen, Polen und Finnland. Auch in Deutschland ist, bei entsprechenden Wetterlagen, das Auftreten von Frostbeben denkbar.

Für Menschen und menschliche Siedlungen eher unbedeutend ist die zweite Form von „Cryoseism“, sogenannte Eisbeben. Diese entstehen ähnlich wie normale Erdbeben, allerdings nicht im Gestein, sondern innerhalb von Gletschereis. Der antarktische Vulkan Erebus ist ein Ort, wo dieses Phänomen häufig aufgezeichnet wird (auch aufgrund des sehr dichten Stationsnetzes dort).

Dadurch, dass Frostbeben nicht komplett zufällig auftreten, sondern an bestimmte Bedingungen gebunden sind, ist hier die Vorhersage solcher Ereignisse denkbar. So wurde im Februar 2016 im Vorfeld eines erwarteten Kälteeinbruchs eine Warnung vor Frostbeben für den Raum Toronto herausgegeben. Etwas, was bei echten Erdbeben in naher Zukunft wohl nicht zu erwarten ist.

Für die „Hitzeopfer“ in Deutschland bleibt ein kleiner Trost: Ein direkter Zusammenhang zwischen hohen Temperaturen und seismischen Ereignissen gibt es nicht.

Zuerst veröffentlicht: 21. Juli 2016, bearbeitet am 29. Mai 2017