Während über Deutschland Polarlichter den Nachthimmel erleuchten bebt auf der anderen Seite des Globus die Erde: Zwei schwere Erdbeben, jeweils Magnitude 7.1, treffen innerhalb weniger Stunden Teile von Neuseeland und Indonesien. Sie lösen kleine Tsunamis aus, bleiben aber weitestgehend folgenlos. Dennoch fragen sich nach dieser zeitlichen Korrelation viele Menschen: Kann starke Sonnenaktivität, die ursächlich für Polarlichter in mittleren Breiten ist, auch (schwere) Erdbeben auslösen? Eine Frage, die die Wissenschaft schon länger beschäftigt.

Dass astronomische und geologische Ereignisse zusammenhängen, wird bereits seit Jahrhunderten von Wissenschaftlern untersucht. Zum Beispiel die Theorie, dass Erdbeben bevorzugt bei Vollmond auftreten, die bereits im 17. Jahrhundert aufgeworfen wurde. Die Hoffnung: Ein Muster im augenscheinlich zufälligen Auftreten großer Erdbeben zu finden und durch Korrelation mit zyklischen astronomischen Ereignissen eine gewisse Vorhersehbarkeit zu erlauben.

So wie die Mondphasen folgt auch die Sonnenaktivität einem Zyklus: Etwa alle elf Jahre nimmt die Sonnenaktivität zu, wodurch es mehr Sonnenflecken und auch mehr Sonnenstürme gibt. Ein Zusammenhang zwischen Sonnenaktivität und Erdbebenaktivität wurde zuerst Mitte des 19. Jahrhunderts postuliert, als der berühmte Astronom Rudolf Wolf über eine Korrelation zwischen Sonnenfleckenzahl und Erdbeben spekulierte. Auch der Seismologe Fusakichi Omori, einer der Pioniere der Erdbebenforschung, griff diese Frage im Jahr 1908 auf. Beide konnten keine klaren Antworten liefern, auch weil zu ihren Lebzeiten die Erdbebenaufzeichnung noch große Lücken aufwies.

Frühe Forschung lieferte widersprüchliche Antworten

Erst etwa 50 Jahre später, rund um das Jahr 1960, war die globale seismologische Überwachung dank des Kalten Krieges und vermehrter Kernwaffentests so gut, dass Erdbebenkataloge für große Beben vollständig waren. Seitdem gab es immer wieder Forschungen zu dem Thema. Dabei waren die Aussagen oft sehr widersprüchlich. Manche Forscher erkannten einen klaren Zusammenhang zwischen Phasen hoher Sonnenaktivität (Solare Maxima) [z.B. Odintsov 2006], andere nicht. Manche sahen verzögerte Effekte mit höchster Erdbebenaktivität während des Übergangs in Phasen niedriger Aktivität [z.B. Simpson 1967], andere nicht. Sogar vermeintliche Korrelationen zwischen Solaren Minima und Erdbebenaktivität wurden gefunden [z.B. Rabeh 2010].

Am Abend des 23. April 2023 leuchteten wie hier über dem Erdbebennews-Büro Polarlichter am mitteleuropäischen Himmel. Grund dafür war ein starker Sonnensturm. Kurz darauf kam es zu schweren Erdbeben in Neuseeland und Indonesien.

Was alle diese Studien unterscheidet (neben ihren Resultaten): Die Autoren wählten jeweils unterschiedliche Datensätze (bzw. Zeiträume) sowie (wenn überhaupt) andere statistische Ansätze zur Überprüfung ihrer Ergebnisse. Das Fazit ist also stark abhängig davon, welchen Zeitraum man betrachtet. Einen Umstand, den auch [Love & Thomas 2013] kritisierten und den meisten Studien die Aussagekraft absprachen, allerdings ohne jeweils die Gegenhypothese unterstützen zu können. Da mit fortschreitender Zeit theoretisch mehr Daten zur Verfügung stehen und auch statistische Methoden stetig verbessert werden, macht es Sinn, vor allem neuere Studien zu betrachten. Denn das Thema ist auch in den 2020er Jahren noch viel diskutiert.

So warf [Anagnostopoulos 2021] zum Beispiel die Theorie auf, dass starke Erdbeben, so wie die Rotation der Sonne, einen 27-Tages-Zyklus aufweisen und so mit Sonnenwind aus großen und langlebigen Koronalen Löchern korrelieren. Auf ein ähnliches Ergebnis kam auch [Marchitelli 2020], allerdings ohne Koronale Löcher und einen 27-Tage-Zyklus als Quelle von Sonnenwind zu nennen. Beide untersuchten jeweils das globale Auftreten von starken Erdbeben, aber in unterschiedlichen Zeiträumen. [Yesugey 2009], der allerdings nur Beben in der Türkei untersuchte, schloss einen Zusammenhang noch aus. Statt schwacher Sonnenstürme untersuchte [Sobolev 2021] die 25 stärksten Sonnenstürme von 1994 bis 2017 und fand eine klare Korrelation mit großen Erdbeben auf der östlichen Hemisphäre, vor allem in Südostasien. [Novikov 2020] sah widerum Sonnenflares als Taktgeber.

Viel Kritik an statistischen Methoden

Zu einem generellen Fazit kam [Akhoondzadeh 2022], der die oft als Indikator für Sonnenaktivität verwendeten Anomalien im Erdmagnetfeld statistisch untersuchte. Dabei verglich er die Daten mit einem zufällig generierten Erdbebenkatalog und kam zu dem Ergebnis, dass zuvor entdeckte Korrelationen keine statistische Signifikanz haben. [Chen 2020] kam zuvor auf das umgekehrte Ergebnis und erkannte eine klare statistische Signifikanz, allerdings nur bei flachen Erdbeben über Magnitude 7. [Tavares 2011] kritisierte Hingegen die Nichtberücksichtigung anderer Zusammenhänge, zum Beispiel von Erdbeben untereinander, in statistischen Auswertungen.

Zu einer möglichen Korrelation zwischen Sonnenaktivität gibt es somit verschiedene Theorien und Ansätze, wobei nicht nur Zeiträume und statistische Methoden, sondern auch Art der Sonnenaktivität und Art und Lokalität des Erdbebens eine Rolle spielen. Viele Theorien sind widersprüchlich und zu vielen gibt es robuste Gegenargumente. Was aber auch nach mehr 150 Jahren Forschung allen Theorien fehlt, ist die Erklärung, wie Sonnenstürme überhaupt Einfluss auf die Erdbebenaktivität nehmen sollen.

Die meisten genannten Autoren entziehen sich der Verantwortung, eine Erklärung zu finden, oder greifen auf sehr spekulative Theorien zurück, die (noch) keine wissenschaftliche Grundlage haben. Der umgekehrte Piezoelektrische Effekt durch Induzieren von elektrischen Strömen in der Erdkruste oder auch Gravitationswellen werden genannt, aber nicht weiter ausgeführt. Basis der Überlegungen sind lokale Anomalien im Erdmagnetfeld, die in der Vergangenheit oft (aber nicht immer) vor großen Erdbeben nachgewiesen wurden. Manche Forscher sehen im Studium dieser Anomalien einen vielversprechenden Ansatz zur Erdbebenvorhersage. Zwar gibt es für dieses Phänomen mit dem Piezoelektrischen Effekt einen vielversprechenden Ansatz. Aber restlos erklärt sind diese Anomalien noch nicht.

Fazit: Keine klaren Hinweise auf Zusammenhang

Ein möglicher Zusammenhang zwischen Erdbeben und Sonnenaktivität ist widersprüchlich. Zwar gibt es Forscher, die gewisse Korrelationen sehen. Doch gibt es bezüglich der gewählten Methoden oder Daten oft begründete Kritik. Zudem sind die von einzelnen Autoren als „signifikant“ klassifizierten Theorien oft widersprüchlich. Widersprüche und Probleme mit Datensätzen, die trotz vieler Jahrzehnte an Aufzeichnungen Fragen aufwerfen und zumindest deutlich machen, dass ein eindeutiger Zusammenhang definitiv nicht vorliegt.

Besonders wichtig bei der Einschätzung ist jedoch die fehlende Erklärung einer Kausalität. Niemand konnte bisher eine robuste Theorie aufbringen, wie Sonnenaktivität Erdbeben auslösen soll. Zwar lassen Einflüsse von Erdbeben auf das Magnetfeld zumindest die Möglichkeit einer Verbindung zwischen beiden offen. Doch fehlt es auch im umgekehrten Fall noch an einer eindeutigen Erklärung.

Somit kann man sagen, dass es zur Zeit keinen nachweislichen Zusammenhang zwischen Sonnen- und Erdbebenaktivität gibt. Andererseits gibt es aber auch keinen belastbaren Grund, einen Zusammenhang kategorisch auszuschließen, auch wenn es zumindest sehr unwahrscheinlich scheint, dass Sonnenaktivität einen großen Einfluss hat. Frühere Studien und vermeintliche Ansätze liefern genug Gründe, die Forschung weiterzuführen, gerade bezüglich der Ursachen theoretischer Zusammenhänge.

Quellen

Akhoondzadeh, M., & De Santis, A. (2022). Is the Apparent Correlation between Solar-Geomagnetic Activity and Occurrence of Powerful Earthquakes a Casual Artifact?. Atmosphere13(7), 1131.

Anagnostopoulos, G., Spyroglou, I., Rigas, A., Preka-Papadema, P., Mavromichalaki, H., & Kiosses, I. (2021). The sun as a significant agent provoking earthquakes. The European Physical Journal Special Topics230, 287-333.

Chen, H., Wang, R., Miao, M., Liu, X., Ma, Y., Hattori, K., & Han, P. (2020). A Statistical Study of the Correlation between Geomagnetic Storms and M≥ 7.0 Global Earthquakes during 1957–2020. Entropy22(11), 1270.

Love, J. J., & Thomas, J. N. (2013). Insignificant solar‐terrestrial triggering of earthquakes. Geophysical Research Letters40(6), 1165-1170.

Marchitelli, V., Harabaglia, P., Troise, C., & De Natale, G. (2020). On the correlation between solar activity and large earthquakes worldwide. Scientific reports10(1), 1-10.

Novikov, V., Ruzhin, Y., Sorokin, V., & Yaschenko, A. (2020). Space weather and earthquakes: possible triggering of seismic activity by strong solar flares. Annals of Geophysics63(5), PA554-PA554.

Odintsov, S., Boyarchuk, K., Georgieva, K., Kirov, B., & Atanasov, D. (2006). Long-period trends in global seismic and geomagnetic activity and their relation to solar activity. Physics and Chemistry of the Earth, Parts A/B/C31(1-3), 88-93.

Omori, F. (1908). Notes on the secondary causes of earthquakes. Bulletin of the Imperial Earthquake Investigation Committee2(2), 101-135.

Rabeh, T., Miranda, M., & Hvozdara, M. (2010). Strong earthquakes associated with high amplitude daily geomagnetic variations. Natural hazards53, 561-574.

Simpson, J. F. (1967). Solar activity as a triggering mechanism for earthquakes. Earth and Planetary Science Letters3, 417-425.

Sobolev, G. A. (2021). The effect of strong magnetic storms on the occurrence of large earthquakes. Izvestiya, Physics of the Solid Earth57, 20-36.

Tavares, M., & Azevedo, A. (2011). Influences of solar cycles on earthquakes. Natural Science3(06), 436.

Wolf, R. (1853). On the periodic return of the minimum of sun-sport; the agreement between those periods and the variations of magnetic declination. The London, Edinburgh, and Dublin Philosophical Magazine and Journal of Science5(29), 67-67.

Yesugey, S. C. (2009). Comparative evaluation of the influencing effects of geomagnetic solar storms on earthquakes in Anatolian peninsula. Earth Sciences Research Journal13(1), 82-89.

Hinweis: Hier verwendet wird nur eine kleine Auswahl an Studien zu dem Zusammenhang Sonnenaktivität und Erdbeben.