Man kann von Axel Springer halten was man möchte. Aber das Talent, durch „sensationelle“ Überschriften Klicks und Leser zu generieren, muss jedem Journalisten des Verlags in die Wiege gelegt worden sein. „Erdbebengefahr durch gestrandete Delfine„, titelt zum Beispiel „Die WELT“. Die Mitteldeutsche Zeitung legt mit „Gestrandete Delfine – Japan in Angst vor nächstem Erdbeben“ nach. Auf den Punkt gebracht und genau das, was man über Japan lesen möchte.
Nicht!

Was ist passiert?
An der Küste der Japanischen Präfektur Ibaraki strandeten am Freitag 156 Breitschnabeldelfine und Schwertwale. Viele verendeten, trotz Bemühungen von Tierschützern und Anwohnern.

Was haben Delfine mit Erdbeben zu tun?
Auf dem ersten Blick wenig. Allerdings strandeten im Februar 2011, wenige Wochen vor dem katastrophalen Tohoku-Beben, ebenfalls Breitschnabeldelfine an der japanischen Küste.
Kurz nach Bekanntwerden der Ereignisse am Freitag, brachten erste Internetnutzer in Japan die Situation mit 2011 in Verbindung. Ein Geschenk, das Medien in Deutschland (und einige in Japan) gerne angenommen haben. Ohne zu beachten, dass auch in anderen Jahren Delfine an der Küste von Ibaraki verendeten.

Gibt es einen Zusammenhang?
Die Theorie, dass massenweise Strandungen von Meeressäugern auf Erdbeben hindeuten könnten, wurde schon früher geäußert. Grund seien demnach für Menschen unhörbare Schallwellen, die vor einem Erdbeben aus der Erdkruste dringen und Delfine und Wale verwirren können. Magnetfeldänderungen werden ebenfalls als Ursache genannt. Ein Beweis für diese Theorien fehlt bisher. Neben dem Tohoku-Erdbeben wurden auch vor dem Christchurch-Erdbeben im Frühjahr 2011 gestrandete Delfine an der Küste von Neuseeland gefunden. In diesem Fall ist ein Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen aber deutlich unwahrscheinlicher (selbst in Japan 2011 gibt es keinen Beweis), da das Christchurch Erdbeben wesentlich schwächer war und zudem an Land stattfand.

Sowohl 2011, als auch im aktuellen Fall gibt es wesentlich wahrscheinlichere Ursachen für das Unglück. Lärm, der bei untermeerischen Sprengungen oder Arbeiten (zum Beispiel beim Bohren nach Öl) entsteht, kann die Tiere verjagen. Dies gilt als nachgewiesene Ursache für die Strandung von Breitschnabeldelfinen im Jahr 2008 an der Küste von Madagaskar. Auch Fressfeinde können Delfine an die Strände treiben, so wie vermutlich im Jahr 2012 an der brasilianischen Küste.
Laut N24 gibt es für gestrandete Delfine in Ibaraki einen weiteren möglichen Grund: Die Sichelförmige Küste reflektiere keine Schallwellen, mit denen sich Meeressäuger orientieren, und verwirren so die Tiere.

Fazit:
Dass das Unglück in Japan ein Anzeichen für ein bevorstehendes Erdbeben ist, dafür gibt es keinen wissenschaftlichen Beweis. Es handelt sich um eine Spekulation aus dem Internet, die bis in die Medien vorgedrungen ist. Es gibt deutlich wahrscheinlichere Erklärungen, als ein Erdbeben.

Übrigens: (Unseriöse) Japanische Medien ergänzen die delfin-/internetinduzierte Erdbebenangst durch die Aussage eines „Propheten“, der für den 12. April ein schweres Erdbeben vorhersagt. Axel Springer, die Mitteldeutsche Zeitung und andere dürfen also gespannt sein. Oder auch nicht.

Präfektur Ibaraki
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