USA / Kanada – Die Erde vor der Pazifikküste von Kanada und den USA ist in Bewegung. Messgeräte registrieren seit Ende Dezember kleinste Bewegungen tief in der Erdkruste. Seit einigen Jahren ist an der Cascadia-Subduktionszone dieses Phänomen der sogenannten „Slow-Slip“ Erdbeben (auf deutsch als „langsame“ oder „stille“ Erdbeben bezeichnet) bekannt. Diese sehr kleinen, nur durch hochempfindliche Messgeräte erkennbaren Bewegungen von Gesteinsmassen treten wie man heute weiß an vielen Subduktionszonen weltweit, aber auch an kleineren Störungszonen auf. Man weiß inzwischen, dass vielen der weltweit größten Erdbeben solche Slow-Slip Ereignisse vorausgehen.
Die Slow-Slip Erdbeben im Nordwesten der USA und in British Colombia gehören zu den am besten erforschten, obwohl auch hier die Ursache dieser Erdbeben unklar ist.
Sie treten in etwa 50 Kilometern Tiefe auf. Dort wo sich die kleine Juan-de-Fuca Platte unter die Nordamerikanische Platte schiebt. Es sind viele tausend Ereignisse, die innerhalb weniger Wochen registriert werden und sich vom Startpunkt aus langsam entlang der gesamten Subduktionszone ausbreiten. Auch wenn es niemand merkt: Dabei bewegten sich die Platten um mehrere Zentimeter. Ein Vorgang, der normalerweise bei einem größeren Erdbeben passiert, das stark genug ist um Schäden zu verursachen.
Es wird vermutet, dass den meisten schweren Erdbeben an Subduktionszonen, die zu Tsunamis führen, Slow-Slip Erdbeben vorausgehen. Nachweislich hatte das Tohoku-Beben im Jahr 2011 diese als Vorläufer. Durch die Bewegungen in etwa 40 bis 50 Kilometern Tiefe erhöht sich schlagartig der Druck auf den oberen Teil der Plattengrenze. Kommt es an dieser Stelle zum Bruch werden die seit Jahrzehnten oder Jahrhunderten aufgehäuften Spannungen schlagartig frei. So wie es 2011 in Japan und 2004 vor der Küste von Sumatra passierte. An der Cascadia-Subduktionszon war es zuletzt im Jahr 1700 der Fall.
Slow-Slip Ereignisse gelten dort als berechenbar, denn sie treten etwa alle 14 Monate auf, zuletzt im August und September 2014
This is today’s plot, #tremor moved just a little farther south. #PNSN Tremor Map: https://t.co/UXmk1zLAVf pic.twitter.com/7EgWNpaNTc
— PNSN (@PNSN1) 6. Januar 2016
Am 22. Dezember 2015 begann auf der kanadischen Insel Vancouver eine neue Sequenz dieser Ereignisse. das „Pacific Northwest Seismic Network“ (PNSN) registrierte seit dem tausende kleine Erdbeben, die sich langsam nach Süden und teilweise nach Westen verlagerten und dabei dem Verlauf der Subduktionszone folgten. Gingen diese Ereignisse früher genauso zu Ende wie sie begonnen hatten, unbemerkt, überraschte dieses Mal ein größeres Erdbeben die Forscher. Am 30. Dezember erschütterte ein Beben der Stärke 4.8 die Region. Das Epizentrum lag vor der Südspitze von Vancouver Island, dort wo Stunden zuvor der Slow-Slip Schwarm angekommen ist. Ein Zusammenhang zwischen beiden Ereignissen gilt als wahrscheinlich.
Seit dem ging das Slow-Slip Ereignis weiter und wurde zuletzt im Puget Sound und auf der Olympia-Halbinsel im US-Bundesstaat Washington registriert. Im Puget Sound löste es ein kleines Erdbeben der Stärke 1,9 aus. Wahrscheinlich wird sich die Aktivität noch mehrere Wochen fortsetzen und sich dabei möglicherweise bis in den Bundesstaat Oregon verlagern. Dass diese Aktivität zu neuen spürbaren Erdbeben führt, gilt als unwahrscheinlich. Dennoch ist das Erdbebenrisiko in einer solchen Aktivitätsphase erhöht.
Wie man mit Slow-Slip Erdbeben ein Megathrust-Erdbeben vorhersagen kann, ist eine Frage, die viele Wissenschaftler auf der Welt beschäftigt. Der renommierte Erdbebenforscher Christopher Scholz hat dieser Forschung einen eigenen Roman gewidmet, indem der Ablauf eines Slow-Slip Ereignisses und seine möglichen Auswirkungen im Nordwesten der USA präzise beschrieben wird.