Frankreich – Erdbeben auf der französischen Insel Mayotte im Indischen Ozean – seit Mai diesen keine Besonderheit mehr. In den vergangenen Monaten hat ein bisher einzigartiger Erdbebenschwarm das Eiland erschüttert. Mit Beben teils über Magnitude 5, die zu Schäden und Verletzten geführt haben, waren die Ereignisse für eine Insel abseits größerer Störungszonen sehr ungewöhnlich – und bis heute nicht erklärt, aber noch immer andauernd.
Doch nochmals an Kuriosität überboten wurden alle bisherigen Aktivitäten von einem erdbebenähnlichen Ereignis am Sonntagvormittag (MEZ). Ab etwa 10:30 Uhr registrierten Seismogramme weltweit ein ungewöhnlich starkes seismisches Signal, das mehrere Minuten andauerte. Ein Signal, wie es in der Größenordnung von einem Beben weit über Magnitude 6 stammen könnte. Doch hat es zu dieser Zeit auf der Welt kein derartiges Ereignis gegeben.

Die Zusammensetzung des Signals wirft Fragen auf. So bestanden die von einer unbekannten Quelle ausgestrahlten seismischen Wellen überwiegend in einem Frequenzbereich weit unterhalb dem von normalen Erdbeben. Die klassischen P- und S-Wellen waren nur sehr schwach ausgeprägt und blieben den meisten Stationen verborgen. Ein Grund, warum kaum ein Erdbebendienst der Welt das Ereignis detektieren konnte.

Daten der IRIS-Station ABPO im Süden Madagaskars

Aus den vielen Aufzeichnungen konnte sich dennoch der Ursprung ermitteln lassen, wenn auch eine genaue Lokalisierung nicht möglich war: Das Meer vor der Ostküste von Mayotte.

Von dort breiteten sich die seismischen Wellen mit relativ langsamer Geschwindigkeit von rund 3 bis 4 Kilometern pro Sekunde um den Globus auf. Nach rund 3 Minuten erreichten die Wellen den Süden von Madagaskar, wo die IRIS-Station ABPO das oben stehende Signal detektierte. Selbst in Japan und Westafrika wurde es noch deutlich erfasst.
Auf Mayotte selbst bekamen die Einwohner nichts von diesem massiven seismischen Ereignis mit. Keine spürbaren Erschütterungen, obwohl sich die Insel nur mutmaßlich rund 30 Kilometer vom Epizentrum entfernt befindet. 


Dass dieses ungewöhnliche Signal seinen Ursprung im Bereich des vorherigen, noch immer andauernden Erdbebenschwarmes zu haben scheint, dürfte kein Zufall sein. So unterstützt dieses Ereignis möglicherweise die zuvor mehrfach geäußerte These, untermeerische Vulkanaktivität habe zu dem Erdbebenschwarm geführt. Möglicherweise habe sich in der Tiefsee sogar bereits ein Vulkanausbruch ereignet, der vom drei Kilometer tiefen Indischen Ozean verborgen wurde. GPS-Daten der vergangenen Wochen gaben der Theorie zuvor bereits neue Kraft, da sich die Insel ausgehend vom Erdbebenschwarm um mehrere Zentimeter verschoben und abgesenkt hatte. Mayotte selbst wurde von einem Hotspot-Vulkan geformt, der zuletzt vor 4000 Jahren aktiv gewesen ist. Vulkanische Aktivität wäre somit nicht außergewöhnlich.

Doch was geschah am Sonntagvormittag vor der Küste von Mayotte? Diese Frage beschäftigt seit Sonntag zahlreiche Erdbebenforscher, die ihre Meinungen und Ideen auf Twitter austauschten.
Die ursprüngliche Idee, das Signal könne auf einen beginnenden, massiven Vulkanausbruch hindeuten, wurde zunächst wieder verworfen. Eine mögliche Erklärung lieferte der Britische Seismologe Stephen Hicks, der das Ereignis mit Beobachtungen vom Vulkan Nyiragongo im Kongo verglich. Damals, so geht aus einer Studie von Shuler und Ekström aus dem Jahr 2009 hervor, wurden am zuvor aktiven Vulkan ähnliche Ereignisse beobachtet, allerdings in deutlich schwächerer Ausprägung.

Die Autoren lieferten zwei mögliche Erklärungen für ihre Beobachtungen:
1. Das langsame Absacken einer Vulkancaldera über einer Magmakammer, begleitet von einem Slow Slip Erdbeben.
2. Aktivität an einer ringförmigen Störungszone aufgrund der magmatischen Aktivität.

Auch das Zusammenspiel vulkanischer und tektonischer Ereignisse könnte eine Erklärung für dieses Signal sein, so der französische Seismologe Anthony Lomax.

Trotz mehrerer Ansätze: Eine eindeutige Erklärung für das Ereignis gibt es noch nicht. Erschwerend kommt hinzu, dass es kaum vergleichbare Ereignisse in der Vergangenheit gegeben hat – zumindest keine, die so eine Resonanz erhalten haben.
So deutet im Moment vieles darauf hin, dass das Signal von Sonntag sowie der gesamte vorherige Erdbebenschwarm mit vulkanischer Aktivität zusammenhängen. Ob es sich tatsächlich um eine submarine Eruption handelte oder nur eine massive Bewegung von Magma in der Erdkruste stattgefunden hat, lässt sich nicht sagen.
Für die Bewohner von Mayotte blieb das Ereignis am Sonntag verborgen, ebenso mögliche vulkanische Aktivität. Die hunderten Erdbeben seit Mitte des Jahres blieben dies nicht.

Die Diskussion wird andauern und hoffentlich dazu beitragen, dass es irgendwann Antworten gibt, die die Aktivität vor der Küste von Mayotte erklären. Zudem wird die Entwicklung dort nun noch genauer Beobachtet. Für die Bewohner besteht unterdessen keine Gefahr. Selbst ein möglicher Vulkanausbruch würde durch den Ozean gedämpft werden und keine Auswirkungen auf die Oberfläche haben. Eine neu auflebende Erdbebenaktivität wäre eine größere Sorge.