Schon vor Beginn der instrumentellen Erdbebenüberwachung in Deutschland Anfang des 20. Jahrhunderts hat es in der Bundesrepublik immer wieder größere Erdbeben gegeben. Viele blieben aufgrund der verursachten Schäden und anderer Effekte dank Chronisten in Erinnerung.
Zur Adventszeit werfen wir einen Blick in die Erdbebenvergangenheit von Deutschland und stellen jeden Tag bedeutende Ereignisse aus der vorinstrumentellen Ära vor. 

10 Dezember: Der Erdbebenschwarm in Groß-Gerau 1869 bis 1871

Für viele ist das Vogtland die klassische Region, wenn es um Erdbebenschwärme geht. Sowohl in Mitteleuropa als auch global nimmt das deutsch-tschechische Grenzgebiet eine Ausnahmestellung ein was Intensität und Häufigkeit von Schwarmbeben angeht. Daher mag es überraschend erscheinen, dass einer der massivsten und langanhaltendsten Erdbebenschwärme in der deutschen Geschichte nicht im Vogtland sondern im unscheinbaren, südhessischen Groß-Gerau seinen Ursprung hatte.

Insgesamt über 2000 Erdbeben traten während des rund 30 Monate andauernden Erdbebenschwarms auf. Gezählt sind dabei ausschließlich die für die Bevölkerung spürbaren Erdbeben. Während dieser Zeit kam es in Groß-Gerau und Umgebung auch immer wieder zu Gebäudeschäden.
Zum Vergleich: Während des aktuellen Erdbebenschwarms im Vogtland im Frühjahr und Sommer 2018 traten innerhalb von drei Monaten rund 200 spürbare Erdbeben auf.

Der Höhepunkt des Groß-Gerau Schwarms begann Ende Oktober 1869, nachdem bereits im vorherigen Jahresverlauf vereinzelt Beben verspürt wurden. Das erste große Erdbeben am Morgen des 1. November wird auf Magnitude 4.7 bis 5.1 geschätzt. Es war weit den Oberrhein hinauf und auch bis ins Mittelrheingebiet zu spüren. Ein weiteres, ähnlich starkes Erdbeben folgte am Abend es 2. November.
Allein am 31. Oktober wurden mindestens 56 Erdbeben verspürt. 41 weitere waren es am 1. November.

Nach dieser ersten Phase extrem hoher Aktivität ging Anzahl und Intensität der Beben zurück. Kleine, spürbare Erdbeben hielten aber in den folgenden Monaten. Im Laufe der Zeit blieben die Epizentren nicht konstant. Zwar war Groß-Gerau am stärksten betroffen, doch traten auch immer wieder Erdbeben weiter südlich und östlich auf, sodass auch in und um Darmstadt viele Beben verspürt wurden.

Zu Beginn des Jahrs 1871 entwickelten sich ein zweiter und dritter Erdbebenschwerpunkt zwischen den Orten Lorsch, Heppenheim und Bensheim nahe der Grenze zu Baden-Württemberg, sowie bei Nieder-Beerbach am Südrand von Darmstadt. Bei begann die Aktivität am 10. Februar mit einem kräftigen Beben um Magnitude 4.5, das großflächig zu spüren gewesen ist. Ein zweites, noch stärkeres Erdbeben am 12. Februar folgte.
Die Erdbebenaktivität bei Nieder-Beerbach war vergleichsweise gering mit nur zwei Erdbeben um Magnitude 3 am 25. und 26. Februar sowie weitere spürbare (kleine) Beben am 22. März, 5. April und letztmalig am 18. November.

Während des Jahres 1871 nahm die Aktivität in der gesamten Region deutlich ab und einer der größten Erdbebenschwärme der deutschen Geschichte fand ein Ende. Einzelne Erdbeben traten aber wohl auch noch in den Jahren danach auf.

Verortung der Epizentren:

Literatur
Dieffenbach, F. (1873). Plutonismus und Vulkanismus in der Periode von 1868-1872 und ihre Beziehungen zu den Erdbeben im Rheingebiet: auf Grund der neuesten Ergebnisse der wissenschaftlichen Forschung und mit Berücksichtigung von mehr als Tausend Erdbeben und Vulkanausbrüchen dargestellt. Jonghaus.
Leydecker, G. (2011). Erdbebenkatalog für Deutschland mit Randgebieten für die Jahre 800 bis 2008.