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ShakeMap (Berechnete Intensität des Erdbebens in Vietnam):
Epizentrum, ShakeMap und historische Erdbeben der Region auf interaktiver Karte anzeigen
Was ist passiert:
Im der vietnamesischen Region Kon Tum kommt es seit 16 Monaten regelmäßig zu Erdbeben. Mehrere Hundert wurden seit April 2021 registriert. In einer Region, die normalerweise nicht zu den Erdbebengebieten des Landes zählt. Nachdem die Erdbeben anfangs überwiegend schwach waren, wurden sie im Dezember 2021 stärker. Im Januar kam es zu ersten Schäden an umliegenden Gebäuden. Im April sollte mit Magnitude 4.5, das USGS ermittelte Magnitude 4.8, das bisher stärkste Erdbeben seit Aufzeichnungsbeginn folgen. Dieser Wert wurde am heutigen Dienstag nochmals übertroffen.
Magnitude 4.7 ermittelte das Vietnamesische Geophysikalische Observatorium, erneut M4.8 das USGS. Das Epizentrum des Bebens lag, wie die der vielen Hundert Vorgänger, im Osten der Region am Ufer des kürzlich aufgestauten Thuong Kon Tum Sees, ein Stausee zur Stromerzeugung, der vom Dok Nghe Fluss gespeist wird. Das zugehörige Wasserkraftwerk mit einer maximalen Leistung von 220 Megawatt gehört zu den kleineren des Landes, das bis zu 43% seiner Stromversorgung aus Wasserkraft beziehen kann. Mit dem stärksten Erdbeben seit über 100 Jahren im Zentrum des Landes hat es trotz seiner geringen Kapazitäten die Spitze der induzierten Seismizität im Land übernommen.
Das Erdbeben am Dienstagnachmittag Ortszeit war verbreitet im Zentrum Vietnams zu spüren. Mehrere Vor- und Nachbeben ereigneten sich innerhalb von zwei Stunden, sodass viele Menschen in umliegenden Orten in Panik verfielen. Das Schüttergebiet vom Hauptbeben reichte bis in die Nachbarländer Laos und Kambodscha. Die lokale Regierung hat Notfallrisikostufe 1 ausgerufen und betroffene Orte auf mögliche Schäden untersucht. In einigen Häusern bildeten sich nach ersten Mitteilungen Risse. Herabstürzende Dachziegel wurden im Dorf Dak Cho beobachtet. Über mögliche Verletzte gibt es zunächst keine Informationen.
Wie entstehen Erdbeben an Stauseen?
Für Vietnam ist es nicht das erste Schadensbeben infolge einer Flussaufstauung. Bereits zwischen 2012 und 2015 kam es in der nördlicher gelegenen Provinz Quang Nam zu zahlreiche Erdbeben rund um das Song Tranh 2 Kraftwerk. Mit einer maximalen Magnitude von 4.5 verursachten viele von ihnen Schäden und schürten Angst unter den Menschen. Es war die erste starke Serie stauseeinduzierter Erdbeben in Vietnam. Andere Länder, vor allem Indien, haben in der Vergangenheit ähnliche, teils aber auch deutlich drastischere Erfahrungen gemacht.
Durch das Aufstauen eines Sees, ob künstlich oder natürlich, kommt es zu großflächigen geologischen Veränderungen. Zum Induzieren von Erdbeben ist vor allem das zusätzliche Wasser entscheidend. Zum Einen übt die Masse des Sees einen (in geologischen Zeiträumen) plötzlichen Druck auf unterhalb liegende Gesteinsschichten und Störungszonen aus. Dies wirkt sich auf das Spannungsfeld aus und kann bestehenden tektonischen Druck, je nach Situation, reduzieren oder erhöhen. Im letzteren Fall kann es sein, dass entlang der Störungszonen ein kritischer Druck überschritten wird: Der sprichwörtliche Tropfen im Fass. Das Resultat: Ein (oder mehrere) Erdbeben.
In einem solchen Fall ist die Erdbebenaktivität meist kurzlebig und tritt unmittelbar nach (oder noch während) der Aufstauung auf. Im Falle des Thuong Kon Tum Kraftwerks begann die Erdbebenaktivität erst einen Monat nach Inbetriebnahme des Kraftwerks. Staubeginn war 2012 und der (bisherige) Höhepunkt folgte im August 2022. Entscheidend hier also sehr wahrscheinlich das Wasser selbst. Dieses sickert langsam aus dem See in unterhalb liegende Gesteinsschichten. Da es einen ständigen Zustrom durch den See gibt, steigt der Porenfluiddruck im Gestein immer weiter an. Je höher der Porenfluiddruck, umso nasser und rutschiger werden vorhandene Störungszonen. So rutschig, dass bestehender tektonischer Druck irgendwann gelöst wird.
Stausee-Erdbeben können Jahre andauern
Vielerorts gibt es ganze Netzwerke alter, eigentlich inaktiver Störungen. Ist entsprechender tektonischer Druck vorhanden und kann sich das Wasser ungebremst langsam durch das Gestein ausbreiten, kann eine ganze Serie von Erdbeben folgen. Diese kann, je nach Durchlässigkeit der geologischen Schichten, Jahre oder Jahrzehnte andauern. Wetterbedingte Schwankungen des Wasserspiegels sind ein weiterer Einflussfaktor. Je nach Spannung, Größe der Störung und Wasserdruck (was erneut von der Durchlässigkeit abhängt), können auch die Erdbeben sehr stark werden. In Indien kam es 1967 und 1993 zu Beben über Magnitude 6 mit katastrophalen Folgen. Magnitude 5 wurden unter anderem in Ägypten (Assuan-Stausee) und in den USA (Lake Mead) überschritten.
Vietnam hat diese Grenze, ab der auch größere Schäden eine ernste Bedrohung werden, noch nicht erreicht. Doch die zweite größere Erdbebenserie an einem Stausee innerhalb eines Jahrzehnts stellt für das niederschlagsreiche Land eine Warnung dar. Das Erdbebenrisiko durch Stauseen ist vor allem von der geologischen Situation abhängig. Eine gründliche Studie dieser wurde im Vorfeld der Aufstauung wegen der schwer zugänglichen Gebiete und der dichten Vegetation nicht durchgeführt. Beim Bau zugehöriger Tunnelsysteme stieß man jedoch auf größere tektonische Störungssysteme.
Viele Formen der Energiegewinnung bergen Erdbebenrisiken. Wie bei der Geothermie, der Förderung von Erdgas und Erdöl, der Erschließung solcher Lagerstätten (Fracking) und auch dem Kohlebergbau ist es eine Abwägung. Wie hoch und wie kontrollierbar sind diese Risiken? Welchen Nutzen und welche Kosten hat die Energieform? Welche Alternativen gibt es? Seit 2010 treibt Vietnam den Ausbau der Wasserkraft massiv voran, auch mit internationaler Förderung. Weitere Investitionen sind geplant, um den steigenden Energiebedarf zu decken und um auf nachhaltige und klimafreundliche Energieversorgung umzustellen. Nun werden erneut Erdbeben zum Problem, das das Ziel der Nachhaltigkeit ins Wanken bringt. Bereits nach dem Erdbeben in April wurden Forderungen laut, das Erdbebenrisiko im Vorfeld zu berücksichtigen. Wie dies in Zukunft umgesetzt wird, bleibt abzuwarten.
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Betroffene Städte, Orte
Stadt | Land | Intensität (EMS-98) | Bewohner | Entfernung Epizentrum (km) | Beschreibung |
---|---|---|---|---|---|
Măng Đen | VN | 4.5 | 0 | 20.5 | deutlich spürbar |
Đắk Rve | VN | 3.9 | 0 | 29.2 | leicht spürbar |
Đắk Hà | VN | 3.9 | 0 | 41.9 | leicht spürbar |
Sơn Hà | VN | 3.8 | 0 | 41.3 | leicht spürbar |
Kon Tum | VN | 3.7 | 47400 | 50.6 | leicht spürbar |
Quảng Ngãi | VN | 3.4 | 33000 | 73.9 | leicht spürbar |
Trà My | VN | 3.2 | 6600 | 63.3 | leicht spürbar |
Tam Kỳ | VN | 3.0 | 59000 | 93.6 | leicht spürbar |
Pleiku | VN | 2.9 | 114200 | 89.7 | kaum spürbar |
Đại Lộc | VN | 2.6 | 16200 | 123.6 | kaum spürbar |
Übersicht der stärksten Erdbeben im Kartenausschnitt* (Vietnam und Umgebung)
Datum | Magnitude | Tiefe (km) |
---|---|---|
18.4.2022 | 4.8 | 10 |
15.5.2014 | 4.6 | 14 |
17.11.2019 | 4.6 | 13 |
4.6.2022 | 4.4 | 10 |
14.4.2022 | 4.4 | 10 |
27.1.2017 | 4.4 | 10 |
4.4.2021 | 4.4 | 13 |
13.12.2021 | 4.4 | 10 |
15.4.2022 | 4.4 | 16 |
18.4.2022 | 4.3 | 10 |
*Daten: USGS-Katalog (ab Magnitude 4, seit 1960)
Hinweis: Der Erdbebenkatalog enthält neben natürlichen auch induzierten Erdbeben. Dazu zählen zum Teil auch Sprengungen und Explosionen. Somit sind einzelne „falsche“ Erdbeben in der Darstellung möglich. Auch die Magnitudenangabe einzelner Erdbeben kann aufgrund von Katalogunterschieden variieren.