Am isländischen Vulkan eskaliserte die Situation: Tausende Erdbeben veranlassten am Freitag die Evakuierung des Ortes Grindavik. Die Warnstufe des Vulkans wurde auf Orange gesetzt. Ein Ausbruch in den nächsten Stunden droht, nachdem Magma in einen 25 Kilometer langen Riss in der Erdkruste eindrang und die Halbinsel in nur drei Stunden um mehr als einen Meter auseinander drückte. Eine Chronologie der Ereignisse mit eigenen Interpretation, wie sich die Situation so schnell entwickeln konnte.
Im August begann in ca 10 Kilometern Tiefe unterhalb des Fagradalsfjall eine Magmaintrusion, die bis zuletzt andauerte. Das Ausmaß zeigten Satellitendaten: Bis Oktober hob sich der Boden großflächig um 3 cm. Trotz der recht großen Tiefe des Magmas, was auch ein sehr großes Magmavolumen hindeutet. Ausgehend von dieser Magmakammer stieg am 24. Oktober eine erste kleinere Menge Magma in westliche Richtungen auf. 3D Daten der Erdbeben-Hypozentren zeigen diesen Aufstieg. Diese formte nahe des Vulkankegels Thorbjörn am 25. einen Sill (horizontale Intrusion), begleitet von zunehmender Erdbebenaktivität, überwiegend durch Bodenhebungen verursacht. Während sich am Thorbjörn der Boden hob, ging die Hebung direkt oberhalb der Fagradalsfjall-Kammer zurück.
Magma stammt wohl aus Fagradalsfjall
Dieser Sill breitete sich innerhalb des Reyjkanes-Vulkansystems, welches deswegen auf Flugwarnstufe Gelb gesetzt wurde, 5 bis 10 Kilometer nach Westen aus und löste dabei weitere Erdbeben und Verschiebungen aus. Am 5. November blieb der Sill stecken, die Aktivität ging im westlichen Bereich etwas zurück.
Am 9. November stieg unterhalb des Sills neues Magma auf, was die Erdbebenaktivität erneut ansteigen lies. Dieses Magma erreichte am 10. November morgens den Sill, sodass die Erdbebenaktivität dort deutlich auflebte. Der Magmazufluss aus der großen Kammer unterhalb des Fagradalsfjall nahm im Tagesverlauf deutlich zu. Der Druck auf den Sill wurde am frühen Nachmittag so groß, dass sich stattdessen ein vertikal stehender Dike bildete, 3 km lang in SW-NE-Richtung. Genaue Tiefe unklar. Der vorherige Sill wurde quasi auseinander gesprengt.
Und mit dem Sill auch die umliegende Erdkruste: Innerhalb von nur drei Stunden drückte der Dike die Reykjanes-Halbinsel großflächig um 130 cm auseinander, 120 cm in der E-W-Komponente, 47 cm in der N-S-Komponente. Durch die Verschiebung und den sehr hohen Magmadruck kam es zu massiver Erdbebenaktivität mit Beben bis Stärke 5. Gebäude in Grindavik wurden beschädigt. Aufgrund dieser starken Dike-Intrusion wurde die Alarmstufe des Reykjanes-Vulkansystems auf Orange gesetzt und der Ausnahmezustand ausgerufen. Ein Vulkanausbruch wurde wahrscheinlich. Rund um die Blaue Lagune und das Kraftwerk wurden Lavaschutzwälle errichtet. Gegen 21 Uhr MEZ wurde der Druck auf den Dike so stark, dass er sich nach Norden ausdehnte und dabei eine Gesamtlänge von 10 Kilometern erreichte. Das ganze fortlaufend begleitet von weiteren Erdbeben. Gegen Mitternacht folgte eine Ausbreitung um 9 weitere Kilometer nach Süden.
Vulkanausbruch vor der Küste möglich – bilden sich neue Inseln?
Damit lag der Dike direkt unterhalb des Ortes Grindavik, was eine Evakuierung des Ortes veranlasste. Viele Bewohner waren zuvor bereits wegen der andauernden Erdbeben nach Reykjavik „geflüchtet“. Die Ausdehnung des Dikes dauerte in den Folgestunden an. Aktuell hat der Dike eine massive Ausdehnung von 25 bis 30 Kilometern, erkennbar an der linienhaften Verteilung der Erdbeben der letzten 24 Stunden. Vorherige Erdbeben markieren den Verlauf des Sills. Der Schwerpunkt der Erdbeben jetzt aktuell liegt vor der Küste von Grindavik.
Für die kommenden Tage bedeutet dies folgendes:
1. Ein Vulkanausbruch im Bereich des Dikes ist sehr wahrscheinlich.
2. Länge des Dikes und Verschiebung deuten auf ein Vielfaches der Größe der letzten Fagradalsfjall Eruption hin. Maßstab wohl eher Bardarbunga 2014 und 2015.
3. Es könnte sich eine kilometerlange Eruptionsspalte bilden, aus der effusiv aber in großen Mengen Lava ausströmt. Sollte dies vor der Küste passieren, wäre die Entstehung neuer Inseln + Aschefall in der Region möglich. Einfluss auf Flugverkehr in Europa eher gering.
4. Grindavik, die Blaue Lagune und das Geothermie-Kraftwerk liegen in der Gefahrenzone und sind evakuiert. Lava könnte diese Orte erreichen und zerstören. Menschen sind, dank der Evakuierung und solange kein Tourist dumme Dinge tut, aktuell nicht gefährdet.
Rechtzeitige Evakuierung schützen Menschenleben – Warnung an Touristen
Alles hängt davon ab, wann und wo das Magma die Oberfläche erreicht, wie viel und wie schnell es ausströmt und wie lange der Nachschub von unten andauert. Die Zutaten für einen großen, lang anhaltenden Vulkanausbruch sind gegeben. Die Lage ist aber weiterhin dynamisch. Die Frage, welcher Vulkan es am Ende sein wird, der offiziell ausbricht, ist eine andere. Es sieht aktuell so als, als wäre die Quelle des Magmas das Fagradalsfjall-System. Die Eruption würde aber wohl innerhalb des Reykjanes-Systems stattfinden.
Am Ende bedarf es wohl einiges an Forschung, um die Situation zu verstehen. Diese Zusammenfassung basiert viel auf eigenen Interpretationen. Isländische Forscher, die die Situation genau überwachen, werden sicher noch genauere Hintergründe dazu ermitteln können und veröffentlichen. Damit werden dann hoffentlich auch die letzten Fragen geklärt.