Tektonik Ägäis
rote Kreise: bekannte historische Megathrust-Erdbeben

Tektonische Hintergründe:
Der östliche Mittelmeerraum rund um Kreta ist die seismisch aktivste Region Europas. Dort kommt es, entlang des Hellenischen Bogens, der vom Peloponnes entlang der Südküste von Kreta bis nach Rhodos verläuft, von Süden zur Subduktion eines Teils der Afrikanischen Erdplatte unter die Ägäische Platte, eine Randplatte der Eurasischen Platte. Wie bei allen Subduktionszonen kommt es regelmäßig zu schweren Erdbeben und zur Bildung einer Vulkankette. (u.a. Methana, Santorin, Kos)
Auf der Ägäischen Platte selbst entstanden durch die Kollision viele weitere große Verwerfungslinien, wodurch fast die gesamte Erdplatte, einschließtlich der angrenzenden Regionen der Türkei und Griechenlands, von schweren Erdbeben und Tsunamis bedroht sind.

Erdbeben am Hellenischen Bogen

Es handelt sich dabei um die größte und gefährlichste Subduktionszone (blaue Linie auf der Karte) Europas. Entlang der Inseln Rhodos, Karparthos, Kreta und dem Peloponnes schiebt sich die Afrikanische Platte mit 11 mm pro Jahr unter die Ägäische Platte. Diese vergleichsweise langsame Geschwindigkeit sorgt dafür, dass auch schwere Erdbeben vergleichsweise selten auftreten. Daher geht die größte Gefahr für die Ägäis auf kurze Sicht nicht direkt von der Subduktionszone aus, sondern von Intraplatten-Verwerfungen. Auch die Vulkane der Region sind vergleichsweise selten aktiv. 
Die Erdbebenvergangenheit des Hellenischen Bogens zeigt die gleiche potentielle Gefahr, die auch an anderen Subduktionszonen besteht. 
Alle paar Jahre kommt es zu größeren Erdbeben um Stärke 6, die aber aufgrund der Distanz zur Küste meist ungefährlich sind. Seltener, im Abstand von Jahrzehnten, sind Erdbeben der Stärke 7. Historisch belegt sind zudem vier Erdbeben der Stärke 8. Bekannt sind sechs historische Megathrust-Erdbeben:
  • 227 v. Chr. (mögl. 222 oder 226 v. Chr), M 7.2 (geschätzt)
    Das Epizentrum lag vor der Küste von Rhodos. Auf der Insel wurden viele Bauwerke zerstört, unter anderem der Koloss von Rhosos. Ein kleiner Tsunami zerstörte mehrere Schiffe in den Häfen der Insel.
  • 365 n. Chr., M 8.3 (geschätzt)
    Der Bruch eines Großteils des westlichen, Hellenischen Bogens verursachte das größte, bekannte Erdbeben im östlichen Mittelmeer. Viele Orte auf Kreta wurden nahezu vollständig zerstört. Schwere Schäden durch das Erdbeben gab es auch in vielen anderen Teilen Griechenlands, sowie Nordafrika (Libyen, Ägypten), Sizilien, Zypern und Konstantinopel (Istanbul). Spürbar war das Erdbeben bis nach Syrien, Norditalien und auf Teilen der Iberischen Halbinsel.
    Der darauf folgende Tsunami richtete weitere Verwüstungen auf Kreta und anderen Teilen Griechenlands an, wobei etwa 5000 Menschen starben. Auch entlang der Küsten der Türkei, sowie im Nildelta gab es schwere Schäden und nach manchen Überlieferungen mehrere tausend Opfer. Der Tsunami traf nachweislich auch die Küsten der Adria und Sizilien, eventuell auch Spanien und den Süden von Portugal. (der dortige Tsunami mit hunderten Opfern könnte auch auf ein lokales Erdbeben zurückzuführen sein)
  • 1303, M 8.0 (geschätzt)
    Dieses Megathrust-Beben hatte seinen Ursprung am östlichen Rand des Hellenischen Bogens, vor der Küste der Türkei. Schwere Schäden gab es im Osten von Kreta, die Stadt Rhodos wurde vollständig zerstört. Auch Kairo in Ägypten wurde teilweise zerstört. Schäden gab es auch in Damaskus (Syrien) und Sefad (Israel). Spürbar war das Erdbeben noch in Venedig (Italien)
    Der Tsunami richtete weitere Schäden entlang fast aller Küsten von Griechenland, sowie in Israel, Libanon, Syrien und Ägypten an. Auch an der Adria wurde ein Tsunami beobachtet. Insgesamt starben mehrere tausend Menschen. 
  • 1481, M 7.2 (geschätzt)
    Auf Rhodos und in Teilen von Anatolien kam es zu schweren Schäden. Ein drei Meter hoher Tsunami zerstörte Häfen auf Rhodos. Hunderte Menschen kamen ums Leben.
  • 1810, M 7.5 (geschätzt)
    Ein tieferes Subduktionsbeben mit Epizentrum nördlich von Kreta, es war in Teilen Nordafrikas, auf Zypern und in Italien (Neapel) deutlich spürbar. Auf Kreta wurden viele Häuser zerstört, auch in Kairo gab es schwere, in Valetta (Malta) und teilen von Syrien leichte Schäden. Weiterhin traf ein Tsunami die genannten Orte.
    Allein auf Kreta starben tausende Menschen.
  • 1953, M 7.2
    Das jüngste Megathrust-Beben in Griechenland ereignete sich am nordwestlichen Ende des Hellenischen Bogens vor der Küste des Peloponnes. 
    Vom 9. bis zum 12. August gab es drei zerstörerische Erdbeben mit zunehmender Stärke. 
    Auf den vorgelagerten Inseln Kefalonien und Zakynthos gab es die meisten Schdäen. 27.695 Gebäude sind dort eingestürzt, etwa 5000 weitere wurden beschädigt. Auch auf dem Festland wurden 112 Gebäude zerstört und etwa 2300 beschädigt. 476 Menschen starben, 2412 wurden verletzt. Ein kleiner Tsunami traf die umliegenden Küsten
Weitere schwere Erdbeben jüngerer Zeit bei Kreta:
  • 12.10.1856, M 8.2
    Ein tiefes Subduktionsbeben (~100 km), dessen Epizentrum nördlich von Kreta lag. 
    Auf Kreta und Rhodos wurden mehrere Orte, darunter auch Iraklion (allen dort 538 Tote), fast vollständig zerstört. Viele weitere Orte, auch auf nahe gelegenen Inseln (u.a. Santorin) wurden leicht beschädigt. 
    Schäden durch das Erdbeben gab es auch auf Malta, Zypern, sowie in Syrien und Israel.
    Schwer betroffen war das Nildelta, wo vor allem in Kairo viele Gebäude, überwiegend Moscheen, zerstört wurden.
    An den Küsten der griechischen Inseln gab es einen kleinen Tsunami.
    Spürbar war das Erdbeben an allen Adria-Küsten, im Westen der Türkei, im vorderen Orient und im Norden von Afrika bis nach Suez. 
  • 26.06.1926, M 8.0
    Ebenfalls ein Beben in rund 100 km Tiefe. Das Epizentrum lag nordwestlich von Kreta. Bekannt ist, dass es durch das Erdbeben schwere Schäden und Opfer in Ägypten gab.
    Schäden soll es auch in anderen Anrainerstaaten des östlichen Mittelmeeres gegeben haben.
Man erkennt, dass bei schweren Subduktionsbeben fast immer ein Tsunami entsteht. 
Das Beben selbst hat Einfluss auf dem gesamten östlichen Mittelmeerraum, vor allem Ägypten, wo aufgrund der Bodenverhältnisse im Nildelta schwere Schäden die Regel sind.
Auch moderate bis starke Beben können bis nach Ägypten und Israel empfunden werden.
Bei starken Subduktionserdbeben in den letzten Jahrzehnten kam es nur sehr selten zu größeren Schäden. Die Bauweise ist mittlerweile so sicher, dass die meisten Gebäude starke Erdbeben überstehen. Zudem liegen Subduktionsbeben bei Kreta meist (Ausnahme ist der Westen der Insel) entweder weit vor der Küste, oder in sicherer Tiefe. Ein wenig gefährlicher ist die Situation bei Rhodos (und der nahen Türkei) und am Peloponnes, wo die Epizentren näher an der Küste sind. Das letzte Erdbeben mit größeren Schäden auf Kreta gab es im Jahr 1973 vor der Westküste der Insel. (Magnitude 5,6)
Erst Erdbeben um Stärke 7, die es in den letzten Jahrzehnten rund um Kreta nicht gab, können gefährlich werden, auch durch die Tsunamigefahr. 

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Siehe auch:
Zwei starke Erdbeben vor der Küste von Kreta (16. Juni 2013)

Informationsquelle(n): NGDC, „Large seismic faults in the Hellenic Arc„, Google Earth