Fidschi und Erdbeben – Es gibt kaum ein Land auf der Welt, in dessen Umgebung es so viele Erdbeben über Magnitude 4 gibt. Allein in diesem Jahr waren es schon fast 1000. Aber nur die wenigsten sind von der Bevölkerung verspürt worden. Dies hat mehrere Gründe.
Zum Einen sind die Fidschi-Inseln über ein relativ großes Gebiet verstreut und auch nicht durchgehend besiedelt. Zum Anderen, und das ist der Hauptgrund, sind Erdbeben in Fidschi meistens nicht oberflächennah, sondern in großer Tiefe, 300 bis 700 Kilometer und damit tief im Erdmantel, lokalisiert. Das heißt: Selbst direkt das Epizentrum befindet sich hunderte Kilometer vom eigentlichen Erdbebenherd entfernt. Entsprechend abgeschwächt sind die seismischen Wellen, bis sie besiedelte Gebiet erreichen. Daher werden Beben, die deutlich unter Magnitude 6 liegen, kaum wahrgenommen.

Dass es aber auch stärker als Magnitude 6 geht, viel stärker, sollte spätestens seit heute bekannt sein. Magnitude 8.2, das stärkste, tiefe Erdbeben, das jemals in der Region aufgezeichnet wurde. Zirka 560 Kilometer tief liegt der Erdbebenherd. Warum es in solcher Tiefe überhaupt zu schweren Erdbeben kommen kann, ist noch immer nicht restlos geklärt.
„Normale“ Erdbeben treten innerhalb der oberen Erdkruste auf, wenn sich entlang von Störungen Gesteinsschichten ruckartig gegeneinander verschieben. Ab einer Tiefe von 20 Kilometern werden die Erdbeben seltener, weil das Gestein heißer wird und damit statt eines ruckartigen Bruchs das Gestein eher dazu neigt, sich plastisch zu verformen, sich zu biegen, ähnlich einem Stück warmer Schokolade.

Der Erdmantel, der je nach Region in einer Tiefe von 10 bis 60 Kilometern beginnt, verformt sich komplett elastisch, das heißt Erdbeben treten dort nicht auf. Eigentlich.
Entlang der Subduktionszonen, wovon es auf unserem Planeten einige gibt, sinkt die kalte, spröde Erdkruste langsam in den Mantel. Da dort deutlich größere Drücke herrschen, wird diese abtauchende Kruste zunehmend verformt. Bei immer noch kühleren Temperaturen im Gestein tritt spröde Verformung auf, was selbst in hunderten Kilometern Tiefe noch zu Erdbeben führt.
Tief im Mantel jedoch, 500 bis 700 Kilometer unter der Oberfläche, sollte selbst die abtauchende Kruste eine Temperatur aufweisen, die keine spröde Verformung mehr erlaubt. Daher haben die Erdbeben, die in diesem Tiefenbereich auftreten, eine andere Entstehungsgeschichte. Der aktuelle Stand der Forschung geht davon aus, dass die geochemischen Veränderungen, die mit dem Erhitzen einhergehen (also Prozesse, bei denen sich die im Gestein vorhandenen Minerale, Quarz, Feldspat, Glimmer, in andere Minerale umwandeln, die unter gegebenen Druck- und Temperaturbedingungen im Mantel stabil sind), ursächlich für die seismische Aktivität sind. Diese Veränderungen gehen mit Volumenänderungen einher, was den Spannungszustand im Gestein ändert und zu Erdbeben führe.

Auch wenn diese Prozesse noch nicht vollständig verstanden sind: Solche Erdbeben gibt es. Solche Erdbeben können auch sehr stark werden. Aus jüngerer Zeit sind drei Beispiele bekannt, wo diese Erdbeben Magnitude 8 überschritten haben: 1994 in Bolivien, 2013 in Russland und eben heute (19. August 2018) in Fidschi.

Während das Beben in Bolivien in einer dicht besiedelten Region auftrat und im Umkreis von hunderten Kilometern, trotz gemäßigter Intensität zu Schäden, Erdrutschen und Todesopfern geführt hat, blieb das Beben in Russland und offenbar auch das Fidschi-Beben ohne größere Auswirkungen.
Das Beben im Mai 2013, zentriert im Ochotskischen Meer in Fernost, machte sich dennoch weltweit bemerkbar (ebenso wie Bolivien 1994), da hier eine andere Charakteristik tiefer Erdbeben zu tragen kam: Die bessere Ausbreitung der seismischen Wellen im Erdmantel. Dies führte selbst in Städten, die tausende Kilometer entfernt sind, zu wahrnehmbaren Schwingungen in Hochhäusern. 2013 war dies in den russischen Städten Moskau und St. Petersburg der Fall sowie in der Indischen Hauptstadt Neu-Delhi, 1994 waren u.a. die brasilianische Stadt Rio de Janeiro und das kanadische Toronto betroffen.
2018 blieben diese Effekte aus. Wahrnehmungsmeldungen kommen ausschließlich aus Fidschi und Tonga, dort teilweise stark zu spüren. Möglicherweise weil der Erdbebenherd zwar tief im Mantel, aber immer noch 100 Kilometer näher an der Oberfläche lag, als bei den vorherigen Beben.

Was das Fidschi-Beben einzigartig gegenüber seinen Vorgängern macht: Eine äußerst signifikante Nachbebenaktivität, wie man sie bei Tiefherdbeben kaum oder garnicht sieht:
Allein zwei starke Beben, M6.3 und 5.8, folgten binnen weniger Stunden im Bereich des Hypozentrums. Hinzu kommt ein getriggertes Erdbeben in 420 Kilometern Tiefe nördlich des Erdbebenherdes, Magnitude 6.8, sowie, ebenfalls getriggert, in 620 Kilometern Tiefe ein M4.7 westlich des Herdes. Nicht zu vergessen: Dutzende weitere Nachbeben unter Magnitude sechs. Da das Hauptbeben selbst an der Oberfläche noch zu deutlich messbaren Deformationen geführt hat, kommen diese getriggerten Erdbeben wenig überraschend. Weitere Beben in den kommenden Tagen, auch oberflächennahe Beben, sind denkbar, auch wenn eine genaue Vorhersage natürlich nicht möglich ist.

Die Verwendung von Euphemismen im Bezug auf starke Erdbeben ist immer ein Ritt auf der Rasierklinge, da dies häufig auf Kosten der Menschen geht, die unter dem Erdbeben leiden musste. Im Falle dieses Fidschi-Bebens, das offenbar nicht zu nennenswerten Schäden geführt hat, ist dies aus wissenschaftlicher Sicht aber unvermeidbar. Es ist ein einzigartiges Beben, das in dieser Form noch nie aufgetreten ist und dessen Auswirkungen ähnlich speziell sind. Somit gibt es eine großartige Gelegenheit, ein besseres Verständnis von Mantelbeben und ihren Auswirkungen zu erlangen.

Für Freunde der Statistik noch der Hinweis: Es ist das erste Erdbeben weltweit über Magnitude 8 seit September 2017 (Mexiko). Zudem gingen dem heutigen Erdbeben fast sechs Monate ohne M7+ Erdbeben voraus, was eine der längsten derartigen Ruhephasen seit Beginn der Aufzeichnungen darstellt.

Wie verhalte ich mich im Falle eines schweren Erdbebens?

FAQ: Wie entstehen Erdbeben? Wo kommen sie vor? Wann sind Erdbeben gefährlich?

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Allgemeine Informationen zu diesem Erdbeben:

Uhrzeit / Time (CET): 19. August, 02:17 Uhr

Magnitude: 8.2

Tiefe: 563 km

Spürbar / Felt: ja

Schäden erwartet / Damage expected: nein

Opfer erwartet / Casualties expected: nein

Ursprung / Origin: tektonisch

Tsunami: nein

Quellen (Erdbebendienste) zu allen Erdbebendaten / List of global earthquake surveys

See also: The most complete compilation of earthquake losses and casualties: Earthquake Impact Database

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