Es gibt immer wieder Fälle, bei denen eine Region innerhalb kurzer Zeit von mehreren starken bis schweren Erdbeben betroffen ist. Dabei fallen diese Sequenzen oft nicht in das klassische Vorbeben – Hauptbeben – Nachbeben – Schema, da ihre Magnituden in derselben Größenordnung liegen oder auch die Epizentren weit auseinander liegen können. Situationen, die besonders verheerend sein können, da wiederholte Erdbeben die bereits zuvor betroffenen Gebäude zum Einsturz bringen können und so deutlich mehr Zerstörung anrichten als die ersten Beben. Zudem sind bei den neuen Beben teils auch Gebiete betroffen, die als „verschont“ galten und deswegen als Zufluchtsort für viele Betroffene dienten.

Auf der Philippinen-Insel Mindanao ist seit über einem Monat eine derartige Erdbebensequenz aktiv, die bereits zu vier starken und zahlreichen schwachen bis mäßigen Nachbeben geführt hat. Möglich sogar, dass bereits im Juli der erste Dominostein kippte und so alle weiteren Ereignisse auslöste. Denn es handelt sich dabei um eine Serie von Ereignissen, die alle direkt miteinander verbunden sind.

Durch die teils großen und schnellen Verschiebungen von Gestein, die bei einem Erdbeben passieren, wird nicht nur die unmittelbar oberhalb liegende Region beeinflusst. Da die obere Erdkruste ein zumeist starrer Körper ist, führt eine Verschiebung an einer Stelle dazu, dass an einer anderen Stelle (richtungsabhängig) entweder mehr Druck aufs Gestein ausgeübt wird, oder vorhandener Druck abgebaut wird. Finden sich in dem Gebiet mit zusätzlichem Druck Störungszonen, an denen der Druck bereits die Belastungsgrenze erreicht hat, werden neue Erdbeben ausgelöst – entweder in Form einer starken Nachbebensequenz (zumeist bei kleinen oder alten Störungszonen) oder aber in Form neuer starker Erdbeben.

Dabei ist es nur selten der Fall, dass das zweite, getriggerte Erdbeben unmittelbar nach dem ersten stattfindet. Oft liegen Tage oder Wochen zwischen den einzelnen Beben, manchmal sogar Jahre, was es dann natürlich entsprechend schwer macht, einen direkten Zusammenhang nachzuweisen.

Ein junges Beispiel für eine solche Erdbebensequenz findet sich in Mittelitalien: Sieben Jahre nach dem dortigen L’Aquila-Erdbeben (M6.3) im Jahr 2009 kam es nördlich der Stadt zu einem neuen starken Erdbeben (M6.0), bei dem unter anderem der Ort Amatrice zerstört wurde. Nur zwei Monate nach dem Amatrice-Erdbeben folgte wiederum ein neues Beben (M6.1) unmittelbar nördlich, gefolgt vom stärksten Erdbeben (M6.5) vier Tage später, dass die Störungszonen beider vorangegangener Ereignisse umfasste.

Ähnliches geschieht zur Zeit im südlichen Teil von Mindanao. An mehreren aneinander angrenzenden Störungszonen kam es am 16., 29. und 31. Oktober zu Beben mit Stärke 6.5, 6.1, 6.6 und 6.3 mit jeweils individuellen Nachbebensequenzen sowie zahlreichen kleineren getriggerten Erdbeben in der näheren Umgebung. Wie Berechnungen der Spannungsänderungen der Philippinischen Erdbebenbehörde Phivolcs nach dem M6.6 zeigten, liegen fast alle der Nachbeben im Bereich der erhöhten Spannung, ebenso das Beben der Stärke 6.3 zwei Tage später. Es ist also davon auszugehen, dass beginnend mit dem ersten Beben eine Kettenreaktion einsetzte, die alle folgenden Ereignisse auslöste. Zudem kam es bereits im Juli zwischen den Epizentren der M6.1 und 6.1 Erdbeben zu einem ersten Ereignis mit Stärke 5.6. So ist es zumindest denkbar, dass dieses Beben das spätere Initialbeben weiter südwestlich begünstigte.

Erdbebensequenz auf Mindanao

Die Folgen dieser Erdbebenserie waren gravierend: Sieben Menschen starben infolge des ersten Oktober-Bebens, 15 weitere am 29. Oktober und nochmals neun am 31. Oktober. Elf Menschen werden noch vermisst. Insgesamt wurden durch alle Erdbeben 21.000 Gebäude beschädigt und 25.000 Gebäude komplett zerstört. Auffällig hierbei die höhere Zahl an zerstörten Gebäuden, weil dies vor allem Strukturen waren, die bei den Erdbeben zuvor bereits Schäden erlitten haben.
Rund 110.000 Menschen werden zur Zeit noch in Notunterkünften versorgt. Rund 400.000 Menschen insgesamt sind von dieser Sequenz betroffen.

Und möglicherweise dauert diese Sequenz noch an:
Am 18. November traf ein Erdbeben der Stärke 5.9 die nördlich angrenzende Provinz Bukidnon, rund 100 Kilometer vom Epizentrum des ursprünglichen Erdbebens entfernt. Zuvor kam es bereits 60 Kilometer nordwestlich der ursprünglichen Sequenz zu einem Beben der Stärke 4.6.
Während letzteres ohne Schäden blieb, führte das Beben der Stärke 5.9 zu Schäden an zahlreichen Gebäuden, mindestens sieben Menschen wurden verletzt. Insgesamt aber bisher kein Vergleich zu den Auswirkungen der Erdbeben weiiter im Süden.

Zwar liegen zwischen beiden Epizentren einige Kilometer, doch liegt das neue Erdbeben zumindest in der Richtung, in welche es laut Phivolcs eine positive Spannungsänderung und damit erhöhre Erdbebengefahr geben sollte. Zudem weist das neue Beben einen ähnlichen Herdmechanismus auf. Auch hier scheint daher ein direkter Zusammenhang wahrscheinlich, wobei genauere Untersuchungen dies noch abschließend klären müssen.

Dass sich damit eine neue größere Erdbebensequenz in Bukidnon abzeichnet, lässt sich aber nicht sagen. Dennoch bleibt die Wahrscheinlichkeit für neue getriggerte Erdbeben und Nachbeben im südlichen Teil Mindanaos recht hoch. Entsprechend wiederholte Phivolcs in den vergangenen Wochen auch mehrfach seine Hinweise, sich in der Region (und auf den Philippinen generell) auf schwere Erdbeben vorzubereiten und Notfallpläne parat zu haben. Gleichzeitig seien aber auch vermehrt Gerüchte aufgekommen, ein noch schwereres Erdbeben (teils sogar wurde ein exakter Zeitpunkt genannt) stünde unmittelbar bevor. Derartige Behauptungen sind jedoch unbegründet und tragen lediglich zur Verunsicherung der Betroffenen bei. Genauso unbegründet sind jedoch Behauptungen, die Erdbebenserie habe nun ein Ende gefunden.