Auf der Reykjanes-Halbinsel im Südwesten von Island spitzt sich die Lage zu: Eine neue Intensivierung der Erdbebentätigkeit nördlich der Stadt Grindavik sowie verstärkte Bodendeformation rund um die „Blaue Lagune“ lassen die Sorge vor einem Vulkanausbruch wachsen. Für Grindavik liegen Evakuierungspläne bereit. Ein Ausbruch würde aber vor allem Tourismus und Energieversorgung betreffen.

Verlauf der Erdbebenaktivität rund um Grindavik. Erdbebendaten: Meteorologiebehörde Islands.

Seit dem 25. Oktober ist die Erdbebenaktivität rund um Grindavik hoch. Tausende meist kleine Erdbeben registrierte die Isländische Meteorologiebehörde innerhalb mehrerer Cluster, vor allem rund um den Vulkankegel Thorbjörn und der Blauen Lagune, zuletzt aber auch westlich von Grindavik. Dort bebte es in der vergangenen Nacht und am Morgen recht stark mit mehreren Erdbeben um Magnitude 4. Auch eine Störungszone östlich von Grindavik wurde reaktiviert.

Grund für die Erdbeben ist eine fortschreitende magmatische Intrusion in einer Tiefe von rund vier Kilometern, möglicherweise zuletzt sogar in geringerer Tiefe. Jüngste GPS-Daten zeigten eine plötzliche und starke Verformung der Erdkruste am Samstag, möglicherweise ein Zeichen für plötzliche Magmaverlagerung in horizontale oder vertikale Richtung. Genaue geophysikalische Analysen, um den Ursprung zu ermitteln, stehen noch aus.

Neue Magmaverlagerung in der Erdkruste verursacht Erdbeben

Das Aufleben der Erdbebenaktivität begann einige Stunden später und gipfelte in zwei Beben der Magnitue 4.2, die auch bis Reykjavik zu spüren waren. Folgende 3D Grafik zeigt die Erdbebenaktivität der letzten Tage. Die ursprüngliche Magmaintrusion befindet sich in 4 bis 5 Kilometern Tiefe unterhalb der Erdbeben. Im Bereich des Magmas selbst kommt es aufgrund der hohen Temperaturen nicht zu Erdbeben. Dort befindet sich eine Lücke zwischen den Erdbeben.

Screenshot aus 3D-Grafik. Rot: Aktuelle Erdbeben. Erdbebendaten: Meteorologiebehörde Islands.

Dafür oberhalb und seitlich, wo durch den Druck des Magmas das Gestein aufbricht. Zu Beginn der Aktivität vor allem oberhalb, was sich auch in Form starker Bodenhebungen nachweisen ließ. Zuletzt kam es vor allem zu horizontalen Verschiebungen, in der Folge Erdbebenaktivität überwiegend westlich der Intrusion einsetze. Dies könnte ein Zeichen dafür sein, dass Magma sich dort einen Weg nach oben sucht. Auch eine Stressreaktion auf eine neue Intrusion unter der Blauen Lagune ist denkbar.

Vulkanausbruch würde Stromversorgung in Island gefährden

Die Situation wird von den Behörden auf Island aktuell genau verfolgt. Einwohnern von Grindavik wurde bereits ein Evakuierungsplan mitgeteilt, der im Falle eines Vulkanausbruchs greifen würde. Da Grindavik selbst nicht in dem Bereich liegt, wo ein Ausbruch zu erwarten wäre, bestünde die Gefahr erst im weiteren Verlauf durch Lavaströme, deren Verlauf aber vom genauen Ausbruchsort abhängig sind.

Größer ist das Risiko für die Blaue Lagune selbst, aber auch für das dortige Geothermie-Kraftwerks, das Hauptstromproduzent im Südwesten Islands ist. Würde dort der Betrieb wegen Evakuierung eingestellt werden müssen oder das Kraftwerk beschädigt werden, könnte dies zu Einschränkungen in der Stromversorgung führen, wovon auch die Hauptstadt Reykjavik betroffen wäre.

Ein möglicher Vulkanausbruch wäre also ungleich gefährlicher und folgenreicher als die jüngsten Touristenmagneten am Fagradalsfjall. Dass es in naher Zukunft zu einem Vulkanausbruch kommt, wird immer wahrscheinlicher. Die Frage nach dem genauen Zeitpunkt und Eruptionsort ist offen. Die genaue Überwachung der Situation wird wahrscheinlich eine gewisse Vorwarnzeit erlauben.