Schwere Überschwemmungen im Nordosten von Indien, in Nepal und Bangladesch haben in den vergangenen Wochen Schlagzeilen gemacht. Starke Monsun-Niederschläge, mancherorts bis zu 1000 Liter am Tag, haben Flüsse anschwellen lassen, Erdrutsche ausgelöst und große Flächen überschwemmt. Rund 500 Menschen kamen bisher ums Leben, etwa eine Million mussten ihre Häuser verlassen. Während die Folgen des Monsuns im Nordosten dramatisch sind, sorgen die saisonalen Niederschläge im Süden Indiens für ein anderes Phänomen: Erdbeben. Im Bundesstaat Karnataka kam es bereits zu Gebäudeschäden.

Der Zusammenhang zwischen Erdbeben und starken Regenfällen ist auf dem ersten Blick nicht naheliegend. Während der Ursprung der meisten Erdbeben in tektonischen Verschiebungen und somit Kilometer tief in der Erdkruste liegt, beeinflusst Regen in der Regel nur die Erdoberfläche. Somit sind entweder mehrere Kilometer Gestein oder Ozean zwischen Erdbebenherd und Regenschirmen. Tatsächlich ist es den meisten Erdbeben auch egal, welches Wetter gerade ist. Doch ein paar wenige Regionen auf der Welt gibt es, wo eine Wettervorhersage auch Erdbeben ankündigen könnte.

Bayern zum Beispiel. Der Berg Hochstaufen im Berchtesgadener Land ist Deutschlands einziger Ort mit regelmäßigen Erdbeben infolge starker Niederschläge. So waren zum Beispiel die letzten vier Wochen „Regenzeit“, vor allem Gewitter brachten starke Niederschläge. Damit stieg auch die Erdbebenaktivität an. Acht Erdbeben über Magnitude 1 wurden registriert, manche auch vereinzelt schwach verspürt. Insgesamt blieb diese Erdbebensaison in Bayern aber bisher ohne nennenswerte Auswirkungen.

Besondere geologische Eigenschaften lassen Erde nach Regen beben

Anders in Indien. Im Bundesstaat Karnataka kam es im Laufe der Woche zu zwei Schadensbeben. Zunächst bebte es am Mittwoch im Distrikt Hassan im Süden des Bundesstaates. Laut dem Seismologischen Dienst in Indien (RISEQ) erreichte dieses Beben Stärke 3.4. In der Folge kam es zu Schäden an einzelnen Häusern.
Am Samstag ereignete sich das nächste Erdbeben etwas weiter westlich direkt an der Grenze zu Kerala. Im Distrikt Dakshina Kannada brachen Wände von Häusern ein. Gegenstände wurden von Regalen geworfen. Menschen flüchteten in Panik ins Freie. Stärke 2.8.

Karnataka Erdbeben
ShakeMap des Erdbebens (M3.4) im Hassan-Distrikt, Karnataka am 22. Juni. Direkt am Epizentrum waren die Erschütterungen so stark, dass es zu Schäden gekommen ist.

Dass Erdbeben, die durch Niederschläge ausgelöst werden, trotz geringer Stärke relativ zerstörerisch sind, lässt sich mit ihrer Entstehung erklären. Anders als tektonische Erdbeben liegt der Ursprung hier in sehr geringer Tiefe, meist nur ein bis zwei Kilometer. Unter bestimmten geologischen Voraussetzungen kann Regenwasser (oder auch Schmelzwasser) tief ins Gestein versickern. Meist ist dies bei alten Gesteinsschichten der Fall, die sehr hart, aber auch voller Risse sind. Meist sind dies Millionen Jahre alte Basaltschichten oder Kalkgesteine. In der Tiefe wirkt das Wasser dann wie ein Schmiermittel. Vorhandene tektonische Störungen, an denen sich über Jahrtausende Spannung aufgebaut hat, kommen ins Rutschen und Erdbeben entstehen.

Aufgrund der geringen Tiefe ist die Intensität der Erdbeben höher und damit auch das Schadenspotential. So sind Erdbeben am Hochstaufen oft schon ab Magnitude 1 zu spüren, wenn sie sich direkt unterhalb angrenzender Siedlungen wie Bad Reichenhall ereignen. Schäden kann man in dem Fall ab etwa Magnitude 3 erwarten.

„Monsun-Erdbeben“ meist schwach

Hinzu kommt, dass die Gebiete, in denen Regen Erdbeben auslösen kann, meist tektonisch wenig aktiv sind. Sprich: Klassische Erdbeben sind selten. Dies hat den Vorteil, dass weniger Spannung in der Kruste vorhanden ist und somit keine hohen Magnituden erreicht werden können. Andererseits sind die entsprechenden Regionen aber auch oft nicht auf Erdbeben vorbereitet und Häuser nicht sicher gebaut, weil tektonische Erdbeben sehr selten und Monsunerdbeben auch nicht jedes Jahr auftreten. Somit reichen schon kleinere Erschütterungen für Risse in Mauern. Neben Bayern und Indien gibt es nur wenige andere Regionen, wo solche Erdbeben auftreten, zum Beispiel Teile von Brasilien und Kenia.

Schadenserdbeben Indien
Schadenserdbeben in Indien seit 2019. Obwohl vor allem die Regionen im Norden entlang des Himalayas als erdbebengefährdet gelten, sind kleinere Schadensbeben landesweit relativ gleichmäßig verteilt. Die meisten Erdbeben in den südlicheren Bundesstaaten, vor allem nahe der Westküste, sind Folge starker Niederschläge. Anders als am Hochstaufen, wo es nahezu in jeder Regensaison bebt, treten niederschlagsinduzierte Erdbeben in Indien selten über mehrere Monsunsaisons am gleichen Ort auf. Im Hassan-Distrikt kam es 2020 bereits zu einem Schadensbeben (M2.6), in Dakshina Kannada in den letzten Jahren nicht.

Karnataka und die Nachbarstaaten Madhya Pradesh, Kerala und Maharashtra sind für Erdbeben durch Regen bekannt. Jedes Jahr werden in der Monsunsaison dutzende Erdbeben ausgelöst, einige sorgen für Schäden. Im Distrikt Palghar in Maharastra wurden diese Erdbeben im Jahr 2019 so stark, dass Gebäude einstürzten und zwei Menschen starben. Derartige Auswirkungen sind aber die Ausnahme. Meist bleibt es bei Rissen in Gebäuden. Da diese Beben aber selten alleine kommen, sondern oft als kleiner Schwarm auftreten und mit lauten Geräuschen einhergehen, sind sie für die betroffene Bevölkerung dennoch eine große psychische Belastung.

Die Monsunsaison in Indien dauert noch an. Auch in den kommenden Monaten wird es im Süden und Südwesten des Landes Erdbeben geben. 2021 standen neun Schadensbeben im Zusammenhang mit starken Regenfällen, 2020 waren es sieben. Die Beben in Karnataka sind die ersten der aktuellen Saison. Wie viele noch folgen werden, ist natürlich nicht vorhersehbar. Aber im Vergleich zu den Überschwemmungen im Nordosten, dürften ihre Auswirkungen überschaubar bleiben.