Ein schweres Erdbeben kann ein anderes auslösen, das ist nicht erst seit gestern bekannt. Neben den normalen Nachbeben, die normalerweise nur in der direkten Umgebung des ursprünglichen Epizentrums auftreten, gibt es noch weitere Mechanismen, die dies ermöglichen.
Ebenfalls auf einen begrenzten Raum nahe des ursprünglichen Erdbebenherdes beschränkt ist das sogenannte Static Triggering. Das Prinzip basiert darauf, dass durch die plötzliche (dauerhafte = static) Verschiebung im Gestein in benachbarten Regionen die Spannungsverhältnisse geändert werden. Dies kann, abhängig von Erdbebentyp und Störungsgeometrie, in eine Richtung die Gefahr eines weiteren Erdbebens drastisch reduzieren und in eine andere das genaue Gegenteil bewirken. Dieser Vorgang kann selbst bei „kleineren“ Erdbeben im Bereich von Magnitude 5 auftreten, wobei die Größe des beeinflussten Gebietes proportional zur Erdbebenmagnitude ist (die Magnitude des getriggerten Bebens wird aber nicht beeinflusst). Beispiele für Static Triggering sind zum Beispiel die Erdbebensequenz in Mittelitalien 2016 oder zahlreiche oberflächennahe Erdbeben in Japan nach dem Tohoku-Beben 2011, unter anderem direkt am Mt. Fuji.
Solche getriggerten Erdbeben können auch Monate, teils Jahre nach dem Hauptbeben auftreten. Denn die Spannungsänderung löst nicht unmittelbar Erdbeben aus, sondern bringt nur die unter Spannung stehende Störung näher ans Bruchkriterium.

Das zweite Prinzip, das Dynamic Triggering, ist grundsätzlich nicht räumlich beschränkt, doch treten die getriggerten Erdbeben meist binnen Stunden oder weniger Tage nach dem ursprünglichen Erdbeben auf. Damit Dynamic Triggering erfolgen kann, muss zum Einen vom Ursprungsbeben eine immense Energie in Form von seismischen Wellen abgestrahlt werden (=sehr hohe Magnitude). Zum Anderen muss die Störung des zu triggernden Bebens bereits sehr stark unter Spannung stehen, sodass ein dortiges Beben in naher Zukunft sowieso passiert wäre.
Sind beide Kriterien erfüllt, geschieht Folgendes: Vom Ursprungsbeben, das deutlich stärker als Magnitude 7 ist, werden seismische Wellen um den Globus geschickt. Diese führen zu Schwingungen in der Erdkruste (=dynamic), die von Menschen als das eigentliche Erdbeben wahrgenommen werden können (in diesem Fall ist zu differenzieren zwischen dem „Erdbeben“, was die menschlichen Wahrnehmungen beschreibt, und dem „Erdbeben“, was die tektonischen, bzw. geophysikalischen Prozesse beschreibt, die ursächlich für die Erschütterungen sind). Treffen diese Schwingungen auf eine andere Störung, kann dort, abhängig von Schwingungsrichtung, Frequenzbereich, Energie und Störungsgeometrie, eine Spannung induziert werden. Befindet sich die zu triggernde Störung bereits kurz (Wochen, Monate) vorm Versagen (=Erdbeben), kann diese geringe Spannungsänderungen ausreichen, um das Erdbeben zu triggern.

Beispiele für durch Dynamic Triggering ausgelöste Erdbeben sind mehrere starke Erdbeben in Mexiko am 11. und 12. April 2012 (Ursprungsbeben: M8.6 Indonesien), oder in jüngerer Zeit ein Erdbebenschwarm am Vulkan Tenorio in Costa Rica, getriggert durch ein M7.5 vor der honduranischen Küste Anfang 2018.
Dieses Dynamic Triggering tritt besonders nach Strike-Slip Erdbeben (Blattverschiebung a la San Andreas Störung) auf, wobei getriggerte Erdbeben bevorzugt in Gebieten hoher geothermaler, bzw. vulkanischer Aktivität auftreten (Fluide in der Erdkruste spielen eine große Rolle). Als indirekter Weg ist auch das dynamische Triggern von Slow Slip Erdbeben, die wiederum große Erdbeben auslösen können, nachgewiesen.

Fidschi: Nach dem heutigen M8.2 in extremer Tiefe erhärtet sich der Verdacht, dass alle drei Triggerungsmechanismen wirksam sind und waren:

  1. Nachbeben
    An der gleichen Bruchfläche mit dem gleichen Herdmechanismus auftretend registrierte das USGS z.B. rund zwei dutzend kleinere Erdbeben, deren stärkstes Magnitude 5.8 erreichte.
  2. Static Triggering
    100 Kilometer flacher als das Hauptbeben, innerhalb des Slabs und rund 100 Kilometer weiter nördlich ereignete sich nach rund vier Stunden ein Erdbeben der Stärke 6.8. Auffällig: Statt des Abschiebungsmechanismus, der für das Hauptbeben ermittelt wurde, hatte dieses einen Überschiebungsmechanismus, also quasi genau den entgegengesetzten Bewegungssinn.
    Durch die massiven Verschiebungen der subduzierten ozeanischen Kruste (Slab), in der sich das Hauptbeben ereignet hat (so wie alle Erdbeben in großen Tiefen), wurde offenbar eine andere Störungszone in größerer Distanz aktiviert. Dass diese Verschiebungen selbst doch an der Oberfläche angekommen sind, registrierten seismologische Messstationen. Dies lässt in den kommenden Monaten Spielraum für weitere getriggerte Erdbeben, auch näher an der Oberfläche. Dies ist bei tiefen Erdbeben nur mit sehr hoher Magnitude möglich.
  3. Dynamic Triggering
    Um Dynamic Triggering semizweifelsfrei nachzuweisen, sind natürlich detailliertere Studien nötig. Doch liefern die Stunden nach dem Fidschi-Erdbeben Raum für Spekulationen, ob Dynamic Triggering an manchen Orten zu Erdbeben geführt hat. In der Übersicht:

    • Lombok
      Am Morgen nach Fidschi, etwa nach vier Stunden, bebte es erneut auf der Indonesischen Insel Lombok. Magnitude 6.3, drittes schweres Erdbeben binnen weniger Wochen, Hypozentrum diesmal an einem Abschnitt der Störung, an dem es durch die vorherigen Beben noch nicht zum Bruch gekommen ist. Hier lässt sich vermuten, dass ein Zusammenspiel von Static Triggering (durch das M6.8 Beben am 5. August) und Dynamic Triggering des Fidschi-Bebens das Erdbeben heute ausgelöst hat. Mutmaßlich war dieses bisher ungebrochene Störungssegment durch das Erdbeben am 5. August so stark unter Spannung gesetzt worden, dass das Fidschi-Erdbeben das Fass zum Überlaufen gebracht hat. Damit war das Fidschi-Beben nicht ursächlich, aber hat das Eintreffen eines Bebens beschleunigt, das sowieso unmittelbar bevor gestanden hat. In diesem Fall vielleicht sogar ein Lebensretter. Man stelle sich vor, das Beben wäre erst in einigen Monaten aufgetreten, nachdem viele Gebäude wieder aufgebaut wurden, Menschen zurück in ihren (beschädigten) Gebäuden sind und nicht in relativ sicheren Notunterkünften. Zudem wären wieder deutlich mehr Touristen, wovon die meisten nach dem Beben am 5. August die Insel verlassen haben, vor Ort gewesen.
    • Italien
      Hier als Beispiel für mehrere andere tiefe Erdbeben genommen, die in den Stunden nach dem Fidschi-Beben aufgetreten sind: Nach Angaben des Italienischen Erdbebendienstes ereignete sich um 08:29 Uhr, sechs Stunden nach Fidschi, ein ebenfalls sehr tiefes Erdbeben (500 km) im Tyrrhenischen Meer zwischen der Italienischen Insel Sizilien und dem Festland. Mit M4.6 war es nicht sehr stark und nicht spürbar. Doch treten Beben dieser Stärke in dieser Tiefe dort relativ selten auf, was zumindest die Frage aufwirft, ob Dynamic Triggering zwischen den zwei Mantelerdbeben möglich ist.
      In dem Fall könnten auch das 100 km tiefe M4.2 im Ägäischen Meer nahe Santorin um 07:46 und das 120 km tiefe M3.5 in Rumänien um 04:28 Uhr Uhr getriggert worden sein, wobei in diesen Fällen Zufall aus Grund für die zeitliche Korrelation nicht unwahrscheinlich ist.

Ob ein Zusammenhang besteht oder ob die zeitliche Korrelation nur Zufall ist, wird sich in vielen Fällen nicht oder nur schwer nachweisen lassen. Dennoch lassen die Beobachtungen der ersten Stunden nach dem Beben darauf schließen, dass es in den kommenden Stunden und Tagen zumindest innerhalb des Slabs unterhalb von Fidschi zu weiteren starken Erdbeben kommen kann. Ob „nur“ Nachbeben oder getriggert – an den Eigenschaften und Auswirkungen der Erdbeben ändert das nichts.

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