Zum zweiten mal innerhalb weniger Tage wurde Papua-Neuguinea am Dienstag von einem schweren Erdbeben getroffen. Zum zweiten mal in einem Land, in dem zahlreiche große Störungen, Mikroplatten und Vulkane eine der seismisch aktivsten Regionen des Planeten bilden. Das gestrige Beben (14. Mai 2019) traf die Regionen Neu-Irland und Neu-Britannien im äußersten Osten des Inselarchipels. dabei resultierte es aus einer Blattverschiebung (strike-slip) an der Weitin-Störung, die mit einem jährlichen Versatz von bis zu 130 Millimetern eine der schnellsten Plattengrenzen der Welt ist – mit entsprechenden Auswirkungen auf die dortige Erdbebenaktivität.

Das Epizentrum des Erdbebens der Stärke 7.5 am Dienstag lag vor der Küste der Insel Latangai, nur rund 40 Kilometer westlich der Stadt Kokopo, einer der größten Orte des Landes. Aufgrund der Nähe zu dicht besiedelten Gebieten (auch Latangai ist bewohnt), gilt dieses Erdbeben als gefährlich, vor allem in einer Region schwacher Infrastruktur. Aufgrund dessen ist aber auch der Informationsfluss, bzw. die Arbeit der Rettungskräfte erschwert. Bis auf einige kleinere Schäden in Kokopo sind noch keine Auswirkungen bestätigt.
Ein möglicher Tsunami, vor dem zunächst gewarnt worden ist, konnte bislang nicht bestätigt werden. Zeugenaussagen von einer hohen Welle nach dem Beben sind sehr lückenhaft. Auch beim Erdbeben in der Region Morobe vor einer Woche (M7.2) dauerte es insgesamt drei Tage, bis das recht mäßige Ausmaß der Zerstörung bekannt worden ist. Auch Berichte über eine kleinen Tsunamis konnten dabei bestätigt werden, der aber wohl nicht direkt durch das Erdbeben ausgelöst worden ist.

Auch beim gestrigen Erdbeben war zu Beginn eine Warnung berechtigt, als der Herdmechanismus des Bebens (strike-slip) noch nicht bekannt war. Auch danach konnte eine lokal gefährliche Welle nicht ausgeschlossen werden, da Sekundäreffekte wie Erdrutsche oder Aktivität an anderen Störungen möglich ist. Etwas, das der indonesischen Stadt Palu im Herbst 2018 zum Verhängnis wurde.

Die für das Erdbeben ursächliche Weitin-Störung verläuft von der New Britain Subduktionszone durch den Süden von Latangai und weiter nach Nordwesten in die Bismarck-See. Dabei ist es keine einzelne Störungen, sondern wie häufig ein System mehrerer subparalleler Störungen. Der genaue Übergang in die vor der Küste verlaufende Riftzone ist unklar. Das Gebiet stellt die Plattengrenze zwischen der Süd- und der Nord-Bismarck-Platte dar, zwei Mikroplatten, die sich in der Kollisionszone der Indoaustralischen und der Pazifischen Platte gebildet haben. Während die Süd-Bismarck-Platte mit bis zu 2,5 Zentimetern pro Jahr im Uhrzeigersinn um einen Punkt in der Region Morobe rotiert (zufälligerweise fast genau dort, wo sich das Beben vergangene Woche ereignete), weist die Nord-Bismarck-Platte eine ähnliche Bewegung wie die Pazifische Platte auf: Eine Verschiebung von rund 10 Zentimetern pro Jahr nach Nordwesten. Somit ergibt sich für die Weitin-Störung am nordöstlichen Ende der Süd-Bismarck-Platte ein Gesamtversatz von 120 bis 130 Millimetern pro Jahr, etwa dreimal so viel wie an der bekannten San Andreas Störung in Kalifornien. Entsprechend sind schwere Erdbeben auch sehr viel häufiger.

Epizentrum des Hauptbebens mit Nachbeben und tektonischer Situation.

Erst im Jahr 2000 erschütterte ein Beben der Stärke 8.0 den Süden von Latangai Island, ebenfalls ein Strike-Slip-Beben. Satellitenmessungen konnten dabei einen Versatz von rund 5 Metern entlang der Weitin-Störung ermitteln. Modelle ergeben, dass sich der Bruch möglicherweise nach Süden bis hin zur Subduktionszone fortgesetzt hat, während die Nachbebenverteilung generell ein sehr komplexes Bruchverhalten entlang zahlreicher (tiefer reichender) Störungen andeutet.
Besonders war dieses Beben im Jahr 2000 nicht nur wegen seiner Größe, sondern auch, weil es in den Tagen darauf zwei ähnlich starke Erdbeben (je M7.8) an der Subduktionszone triggerte.

Eine ähnliche Kettenreaktion war nach dem Erdbeben am Dienstag bisher nicht zu beobachten. Einzig eine kleine, in der vergangenen Nacht begonnene Erdbebenserie in der nordwestlich gelegenen Bismarck-See könnte in Verbindung gebracht werden. Wie schon beim Beben im Jahr 2000 ist die direkte Nachbebenaktivität entlang der Weitin-Störung sehr gering. Wenige lokalisierte Nachbeben deuten bisher einen Bruch vom Epizentrum nach Norden an, das heißt, dass das Segment nördlich des 2000er Erdbebens aktiv gewesen ist (auch wenn eine Überschneidung durchaus möglich ist).
Ein erstes USGS-Modell der Störungszone deutet gar eine Verschiebung von bis zu 28 Metern direkt am Erdbebenherd an. Etwas, das allerdings sehr unwahrscheinlich erscheint und sicher nochmals überarbeitet wird. Vor allem da bislang eine gleichmäßige Bruchausbreitung in beide Richtungen angenommen wird.

Satellitendaten, um den Versatz des Erdbebens zu messen, werden erst in einigen Tagen verfügbar sein. Auch von den Auswirkungen des Erdbebens werden wir vorerst wohl wenig hören. Mit einer großen Katastrophe ist jedoch nicht zu rechnen. Die größte Gefahr stellen Erdrutsche dar.
Dennoch könnte das Beben in den kommenden Tagen weitere Überraschungen bereit halten. Der Vergleich mit dem 2000er Erdbeben zeigt, dass wahrscheinlich ein ähnliches Bruchverhalten vorliegt. Entsprechend ist erneut das Risiko von getriggerten Erdbeben in der direkten Umgebung des Epizentrums gegeben.


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