Startseite » Island » Island: Ausbruch des Fagradalsfjall – Drohen weitere Erdbeben?

Nach vier Tagen voller Erdbeben, Bangen und vor allem Zittern haben viele Isländer nun endlich wieder Hoffnung auf ruhigen Schlaf: Der Vulkan Fagradalsfjall ist (endlich) ausgebrochen. Entlang einer momentan noch kleinen Eruptionsspalte mitten auf der Reykjanes-Halbinsel strömt seit etwa 15:30 Uhr MESZ heiße Lava aus dem Erdinneren. Wie bereits im Vorjahr ist auch diese Eruptionsspalte fernab von menschlicher Infrastruktur. Schäden oder sonstige Auswirkungen auf Siedlungen oder Straßen sind erstmal nicht zu erwarten. Vulkantouristen aus aller Welt dagegen dürften bereits die Koffer packen. Doch wie sieht es mit den Erdbeben aus? Wie die Tage vor dem Ausbruch seismisch abliefen welche Risiken noch immer drohen – für Anwohner und Touristen.

Ausbruch des Vulkans Fagradalsfjall: Drohen weitere Erdbeben? Die Erklärung der Lage im Video:

Drei Schadensbeben in drei Tagen. Was selbst für China, den Iran oder die Türkei ungewöhnlich wäre, hat sich infolge der vulkanischen Tätigkeit zuletzt auf Island abgespielt. Ein starkes Erdbeben nahe der Stadt Grindavik, zwei südlich von Reykjavik und mehrere leicht beschädigte Gebäude. Wie in den früheren Artikeln ausführlich beschrieben, gingen diese Erdbeben nicht direkt aufs aufsteigende Magma zurück.

Übersicht Erdbeben und Vulkanismus Fagradalsfjall
Schematische Übersicht der seismischen Aktivität am Fagradalsfjall und der vulkanotektonischen Ursachen. Erdbebendaten: Meteorologiebehörde

Entlang der Intrusion selbst begann die Erdbebentätigkeit am 30. Juli mit dem Aufstieg des ersten Magmas. Bis zur finalen Eruption heute wanderte die Gesteinsschmelze entlang einer Südwest-Nordost verlaufenden Bruchzone. Die gleiche, die auch das Magma vor dem Ausbruch 2021 genommen hatte. Mit dem Magma verlagerten sich auch die dortigen Erdbeben. Wannimmer Gestein dem Druck der heißen Masse nachgab, entstand ein Erdbeben. Meist klein, doch gerade im nördlichen Abschnitt auch stärkere bis Magnitude 4.4. Mutmaßlich der Bereich mit dem stärksten Widerstand, sodass unmittelbar danach wieder eine Verlagerung nach Süden einsetzte.

Magma wanderte vier Tage

Direkt vor dem heutigen Ausbruch kam es im äußersten Süden der Bruchzone, genau dort, wo 2021 die neue Vulkanspalte des Fagradalsfjall entstand, zum finalen Erdbebencluster. Darunter waren fünf Beben über Magnitude 3, relativ stark für die Intrusionszone, und damit auch spürbar in umliegenden Städten. Eine Stunde später durchbrach das Magma die Oberfläche, wurde zu Lava und zieht aktuell Millionen Interessierte weltweit vor die Webcam-Bilder. Mit der Eruption ließ auch der Druck des Magmas nach und die Erdbeben entlang der Intrusion gingen schlagartig zurück. Doch die anderen zuletzt aktiven Regionen sind davon nicht beeinflusst.


Die Stadt Grindavik erlebte am 31. Juli ein Beben der Stärke 5.4, gefolgt von zahlreichen Nachbeben. Die großflächigen Bodenverschiebungen aufgrund des vorrückenden Magmas haben hier eine Störung direkt am Stadtrand aktiviert. Nachbeben dauern bis heute an und können möglicherweise auch noch in den kommenden Wochen Thema werden. Erst heute kam es unmittelbar nördlich der Grindavik-Bruchzone zu einem Cluster von Mikrobeben, möglicherweise getriggert durch das Hauptbeben und damit unbeeinflusst vom eigentlichen Vulkan.

Reaktivierte Störungen unabhängig vom Vulkanausbruch

Auch weiter im Osten hinterließ die Deformation ihre seismischen Spuren. Am Ostufer des Kleifarvatn-Sees wurde in der Nacht zum 2. August eine Störungszone reaktiviert. Die Folge: Mehrere Erdbeben zwischen Magnitude 4 und 5, die Reykjavik eine schlaflose Nacht bescherten und mehrere Gebäude beschädigten. Durch die Verteilung der Nachbeben ist der Verlauf der Störung erkennbar. Ein weiteres Cluster ist unmittelbar westlich aktiv. Seit der Eruption am Nachmittag treten die meisten Erdbeben hier auf. Somit besteht auch am Kleifarvatn und damit in unmittelbarer Nähe zu Reykjavik weiterhin ein gewisses Erdbebenrisiko, unabhängig vom Vulkan.

Auf komplett erdbebenfreie Tage können sich die Isländer somit noch nicht freuen (eine Garantie dafür gibt es sowieso nie). Doch zumindest geht mit dem andauernden Ausbruch auch die Deformation zurück und damit das Potential, neue Störungszonen zu reaktivieren. Für bereits betroffenen Gebiete gibt es jedoch weiterhin die Chance auf Nachbeben, vielleicht stärker, vielleicht schwächer, aber mit den üblichen Risiken und Wahrscheinlichkeiten.

Höchstes Erdbebenrisiko weiterhin in Deformationszonen


Auch der Vulkan selbst mag auf dem ersten Blick harmlos erscheinen. Kontrolliert abfließende Lava, wenig Explosivität, keine Infrastruktur in der Nähe. Ein Modell (siehe Facebook-Post) ergibt, dass keine wichtigen Straßen betroffen wären, selbst wenn der Ausbruch 200 Tage andauert.
Dazu Sommer und Ferien und der perfekte Touristenmagnet ist geboren. Die zweite Chance für alle, die wegen der Corona-Pandemie im vergangenen Jahr bei Webcam-Watching bleiben mussten. Somit ist in den kommenden Tagen wohl mit einem sehr hohen Aufkommen Schaulustiger zu rechnen. Wie viele davon, vor allem die ausländischen, sich bewusst sind, dass Lava ihre Richtung ändern kann, erstarrte Lava trotzdem noch kochend heiß ist, Förderschlote explosiv kollabieren können und vulkanische Gase in gewisser Konzentration einen schleichenden Tod bedeuten, wird sich zeigen.

Live-Webcam des Ausbruchs

Die isländischen Behörden werden die Situation am Vulkan aufmerksam verfolgen und auf Gefahren angemessen reagieren. Zum Schutze der einheimischen Bevölkerung und vor allem auch zum Schutze der Touristen. Während das Erdbebenrisiko unkontrollierbar bleibt, können Evakuierungen, Verbote und Absperrungen das Gefahrenpotential des Vulkans minimieren. Sofern jeder konsequent rational handelt.