Großbritannien – Hydraulic Fracturing, auch „Fracking“ genannt, gehört zu den wohl umstrittensten Methoden der Rohstoffgewinnung. Einer der Hauptkritikpunkte ist dabei die Erdbebengefahr. Im Fokus der europäischen Anti-Fracking Protesten standen vor allem die Ereignisse im britischen Blackpool an der Nordwestküste Englands. Dort trat im Jahr 2011 der viel berufene Fall auf (der einzige Fall dieser Art in Europa), dass das Hydraulic Fracturing, also das Erschließen von Schiefergaslagerstätten durch Einpressen von Flüssigkeiten, zu spürbaren Erdbeben geführt hat. Damals erreichte das stärkste Beben Magnitude 2.3, damit immerhin das zwölftstärkste Erdbeben in Großbritannien in diesem Jahr, und veranlasste die Behörden, Fracking bis auf weiteres zu untersagen.

Bis Oktober 2018. Verspätet aufgrund der schlechten Wetterbedingungen begann Anfang dieser Woche das erneute Fracking an der Schiefergaslagerstätte in Blackpool, genehmigt von den Behörden. Zuvor riefen Aktivisten zu massiven Protesten gegen die Unternehmungen auf, in denen vor allem auf die Erdbebengefahr infolge des Fracking hingewiesen wurde. Nun, wenige Tage nach Beginn, fühlen sich viele der Protestierenden in ihrer Sorge bestätigt. Der Britische Geologische Dienst registrierte seit Donnerstag bisher insgesamt fünf kleine Erdbeben im Bereich der Bohrung. Dabei reichten die Magnituden von -0.8 bis 0.3. Die ersten Fracking-Erdbeben in Mittel- und Westeuropa seit über fünf Jahren.

Um es zu veranschaulichen: Ein Erdbeben der Magnitude -0.8 entspricht etwa dem ruckartigen Verschieben eines Gesteinsblocks von der Größe eines herkömmlichen Küchenstuhls um ein Zentimeter. Bei Magnitude 0.3 hat der Gesteinsblock schon die Größe eines LKWs. Alles wohlgemerkt in drei Kilometern Tiefe unter der Erdoberfläche.

Tatsächlich handelt es sich dabei um Seismizität, wie sie beim Hydraulic Fracturing zu erwarten ist und eigentlich immer auftritt. Nur würde ohne Messinstrumente niemand diese Erdbeben bemerken. Fracking und Mikroerdbeben sind quasi unzertrennbar miteinander verbunden. Der Grund für diese Mini-Erdbeben ist zum einen das Erzeugen der Risse im Gestein, durch die später das Gas bzw. Öl fließen soll. Aber auch das Einpressen von Flüssigkeit führt zu einer Spannungsänderung im Gestein, abhängig von der Menge der Flüssigkeit. Je mehr Flüssigkeit ins Gestein gelangt, umso größer sind die Auswirkungen und umso größer die potentiellen Erdbeben – auch abhängig von den geologischen Bedingungen der Lagerstätte. Im Umkehrschluss: Kleine Wassermengen führen zu kleineren Erdbeben. Tatsächlich können Nanoerdbeben sogar im Labor ausgelöst werden. Diese liegen dann aber im Bereich von Magnitude -4 (= Versatz um mehrere Mikrometer auf einer Fläche so groß wie eine Cent-Münze). Magnituden, die mit Sicherheit dutzendfach in den letzten Tagen undetektierbar auch in Blackpool aufgetreten sind.

Um zu verhindern, dass die Erdbeben wie 2011 so groß werden, dass Anwohner diese wahrnehmen könnten (ab ca. Magnitude 1.5 wäre dies der Fall), gibt es ein Ampelsystem, das je nach Größe der registrierten Erdbeben bestimmte Vorschriften in Kraft setzt. So müssen bei Beben über Magnitude 0 besondere Vorsichtsmaßnahmen bis hin zu einer Reduzierung der Injektionsmenge greifen (was jetzt in Blackpool der Fall ist). Ab Magnitude 0.5 müssen die Operationen eingestellt werden, um weitere Beben zu verhindern. Dieses Ampelsystem soll ein Herantasten an die effektivste, ungefährliche Intensität ermöglichen und gleichzeitig Bevölkerung und Umwelt schützen.

Eine Methode, die sich andernorts als wirksam erwiesen hat, allerdings nicht immer greift. So liegt der Grenzwert in Blackpool weit unter der Spürbarkeitsschwelle. In anderen Ländern, zum Beispiel Kanada, finden Frac-Maßnahmen größeren Ausmaßes überwiegend in dünn- oder unbesiedelten Gebieten statt. Entsprechend liegen die Grenzwerte dort höher, entsprechend größer sind die induzierten Erdbeben, die teils Magnitude 4 überschritten haben. Ein Wert, der dank des strikteren Ampelsystems in England bei weitem nicht erreicht werden kann.

Die jetzige Situation in Blackpool zeigt beispielhaft, was die zu „normalen“ Auswirkungen von Hydraulic Frackturing sind und wie verhindert werden soll, dass schlimmeres passiert. Ob die Maßnahmen erfolgreich sind und die Beziehung Fracking – Mikroerdbeben unproblematisch bleibt, werden die kommenden Wochen zeigen. Ebenso wird sich zeigen, welchen Einfluss die wieder erstarkenden Proteste nach den Ereignissen der letzten Tage haben werden – ein möglicherweise auch für Deutschland richtungsweisender Faktor. Hierzulande ist Fracking seit einigen Jahren untersagt. Spürbare Erdbeben aufgrund des Frackings sind auch zuvor noch nie aufgetreten – anders als bei vielen anderen Arten der Rohstoff- und Energiegewinnung.


Wenn Ihnen unsere Webseite gefällt, können Sie diese Arbeit mit einer Spende unterstützen. Weitere Infos dazu. Alle Unterstützer erhalten als Dankeschön ein Benutzerkonto für erdbebennews.de, mit dem zusätzliche Inhalte und besondere Vorteile nutzbar sind.  Folgen Sie uns auf Facebook und Twitter, um immer über neue Beiträge informiert zu sein.